Israel debattiert über neue EU-Richtlinie "Siedlungen ausgenommen"
Die EU will strikt zwischen dem Staat Israel und den besetzten Gebieten trennen. Schon bald sollen EU-Verträge mit Israel deshalb explizit nicht für das Westjordanland oder den Golan gelten. Die israelische Regierung stellt das vor ein großes Dilemma.
Von Tim Aßmann, ARD-Hörfunkstudio Tel Aviv
Es ist eine Direktive der EU-Kommission, die in Israels Politik für große Unruhe sorgt: Voraussichtlich ab kommendem Freitag müssen neue Abkommen zwischen der EU und ihren Mitgliedsstaaten auf der einen Seite und Israel auf der anderen Seite eine zentrale Ausschlussklausel enthalten. Inhalt: Die von Israel seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 besetzten Gebiete sind von den Verträgen ausgenommen.
"Es wird auf alle Lebensbereiche Einfluss nehmen"
Betroffen sind zum Beispiel Abkommen über Stipendien, Forschungskooperationen oder die Unterstützung von Programmen staatlicher israelischer Stellen, berichtet die links-liberale Tageszeitung "Haaretz".
Autor Barak Ravid erklärte seinen Landsleuten die Auswirkungen der strengeren EU-Standards im israelischen Rundfunk: "Es wird auf alle Lebensbereiche Einfluss nehmen und es wird nicht nur die Menschen betreffen, die in Siedlungen leben. Nein, es wird uns alle betreffen: vom Jugendaustausch bis hin zu Flugabkommen, touristischen Vereinbarungen, Sportabkommen und Kulturverträgen."
Israel und besetzte Gebiete - EU will deutlich trennen
Die neuen Vorgaben spiegelten die Haltung der EU wider, dass die jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten nach internationalem Recht illegal seien, teilte die Repräsentanz der EU in Israel mit. Ziel der Richtlinien sei, deutlich zwischen dem Staat Israel und den besetzten Gebieten zu trennen.
Die Direktive der EU-Kommission passt zum insgesamt strikteren Umgang der Europäischen Union mit Israel. So wird schon seit einiger Zeit stärker darauf geachtet, dass Waren aus den besetzten Gebieten nicht einem Abkommen mit der EU über Zollfreiheit unterliegen. In einigen EU-Mitgliedsländern - darunter auch Deutschland - wird ein Boykott israelischer Waren aus den besetzten Gebieten, wie dem Golan und dem Westjordanland, gefordert.
"Made in Israel" oder "Made in der einen oder anderen Siedlung"
Der fortgesetzte Ausbau der jüdischen Siedlungen in den Gebieten stößt bei der EU zunehmend auf Kritik. Die Befürworter von Sanktionen gegen Israel finden immer häufiger offene Ohren. Zipi Livni, Ex-Außenministerin und nun im Kabinett zuständig für Verhandlungen mit den Palästinensern, warnt schon lange vor massiven Konsequenzen für ihr Land. "Wer denkt, es würde zwischen der politischen und der wirtschaftlichen Situation des Staates Israel kein Zusammenhang bestehen, wird noch vom Gegenteil überzeugt werden", so Livni.
"So wie die jungen Leute hierzulande über Ideologien sprechen, so vertreten auch die jungen Leute in Europa und anderen Teilen der Welt Ideologien - und die sind nicht mit der Haltung Israels vereinbar." Es gebe Menschen, die Supermärkte überprüfen, ob die Produkte "Made in Israel" oder "Made in der einen oder anderen Siedlung" sind, sagte die Ex-Außenministerin weiter. "Sie sind der Überzeugung, dass der Staat Israel ein Kolonialstaat ist."
"Kein fairer Vermittler in der Region"
Livnis Kabinettskollege für regionale Entwicklung und Ex-Außenminister Silvan Schalom wertete die neuen Vorgaben der EU-Kommission dagegen als anmaßend. Europa habe ein weiteres Mal bewiesen, wie sehr es isoliert sei und dass es "kein vollwertiger Partner für die Verhandlungen" sein könne.
"Ich erinnere mich, dass sich die europäischen Außenminister immer wieder gegen die amerikanische Führungsrolle äußerten und fragten, warum sie keine vollwertigen Partner bei den Verhandlungen zwischen uns und den Palästinensern sein können", so Schalom. "Ich habe ihnen darauf immer geantwortet, dass sie zunächst eine neutralere Politik annehmen müssten, denn wenn sie bereits im Vorhinein festlegen, dass ein palästinensischer Staat innerhalb der 1967er-Grenzen mit Jerusalem als Hauptstadt die Basis darstellt, dann können sie kein fairer Vermittler in der Region sein."
Wie geht die Regierung damit um?
Wenn die neuen Vorgaben der EU in Kraft treten, stellt sich für die israelische Regierung ein Problem: Sie müsste de facto Verträge unterzeichnen, in denen sie anerkennt, dass die besetzten Gebiete und damit die in ihnen liegenden jüdischen Siedlungen nicht Teil von Israel sind.
Wie die Regierung in Jerusalem diese Klippe umschiffen will, ist noch völlig unklar. Kompromisse seien nötig, sagte der stellvertretende israelische Außenminister Zeev Elkin nun im Armeeradio. Für ihn ist die Haltung der EU kontraproduktiv. Damit würde nur das Verhalten der Palästinenser gestärkt, sich neuen Friedensgesprächen zu verweigern.