Angriffe auf den Gaza-Streifen - von Rafah aus aufgenommen.

Krieg im Nahen Osten Offenbar Tote bei Angriffen auf Rafah

Stand: 09.02.2024 16:12 Uhr

Mehr als eine Million Menschen sind nach Rafah geflüchtet - nun hat Israels Premier Netanyahu angeordnet, die Evakuierung vorzubereiten. Berichten zufolge gab es in der Nacht Tote bei Angriffen. Deutliche Kritik kam aus den USA.

Erneut sollen bei israelischen Luftangriffen im Gazastreifen mehrere Menschen getötet worden sein. Wie Nachrichtenagenturen unter Berufung auf Augenzeugen berichten, wurde dabei auch die Stadt Rafah im Süden des Küstenstreifens bombardiert, wo sich mehr als eine Million palästinensische Flüchtlinge aufhalten.

Nach Angaben der von der militant-islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde kamen im Gazastreifen in der Nacht mehr als 100 Menschen ums Leben, darunter mindestens acht in Rafah.

Die Nachrichtenagentur AP berichtet, unter den Toten seien auch Kinder. Demnach trafen die Angriffe in Rafah ein Wohnhaus und im Zentrum des Gazastreifens einen Kindergarten, der zu einer Unterkunft für Vertriebene umgewandelt wurde. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Angaben nicht.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Netanyahu ordnet Vorbereitungen für Evakuierung an

Mehr als die Hälfte der 2,3 Millionen Einwohner des Gazastreifens sind nach Rafah geflohen und folgten damit einer Anweisung des israelischen Militärs. Die israelischen Bodentruppen konzentrieren sich derzeit immer noch auf die Stadt Chan Yunis nördlich von Rafah.

Ministerpräsident Benjamin Netanyahu erklärte nun aber, er habe das Militär angewiesen, einen Plan zur Evakuierung Rafahs auszuarbeiten. In der Stadt sei ein umfassender Militäreinsatz erforderlich, sagte er. Er habe Sicherheitsvertreter aufgefordert, einen Plan vorzulegen, der die Evakuierung von Zivilisten aus der Stadt und eine Militäroperation zur Zerschlagung der verbliebenen militanten Hamas-Einheiten vorsehe.

Israel gibt an, Rafah sei die letzte verbliebene Hochburg der militant-islamistischen Hamas. Es müsse Truppen entsenden, um seine Kriegsziele zu vollenden. In dieser Woche hatte Netanyahu bereits gewarnt, Rafah sei das nächste Ziel der Einsätze, was Hunderttausende Vertriebene dort in Panik versetzte.

Biden kritisiert israelisches Vorgehen

US-Präsident Joe Biden äußerte deutliche Kritik am Vorgehen der israelischen Armee. Er sei der Meinung, das Israels Vorgehen im Gazastreifen "überzogen" sei, sagte er vor Reportern im Weißen Haus. "Es gibt viele unschuldige Menschen, die hungern, viele unschuldige Menschen, die in Schwierigkeiten sind und sterben. Das muss aufhören." Weiter betonte der US-Präsident, er habe sich sowohl in Ägypten als auch in Israel für die Einfuhr weiterer humanitäre Hilfe in den Gazastreifen eingesetzt. 

Der mittlerweile vier Monate andauernde Krieg hat die humanitäre Krise im Gazastreifen dramatisch verschärft. Laut einem Mitarbeiter des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA ziehen derzeit viele Menschen aus Sorge vor einem Bodenangriff von Rafah in Richtung Meer. Sollte Israel die Stadt stürmen, "sterben wir in unseren Häusern", sagte ein Bewohner der Stadt der Nachrichtenagentur AFP. "Wir können nirgendwo hin."

UN warnen vor Offensive in Rafah

Angesichts der Berichte über die angeblich bevorstehende israelische Militäroffensive in Rafah warnte auch UN-Generalsekretär António Guterres vor einer humanitären Katastrophe und Folgen für die gesamte Region. "Die Hälfte der Bevölkerung des Gazastreifens ist nun in Rafah zusammengepfercht und kann nirgendwo anders hin. Berichte, wonach das israelische Militär als nächstes Rafah angreifen will, sind alarmierend", schrieb er auf X, ehemals Twitter. "Eine solche Aktion würde den humanitären Albtraum noch weiter verschärfen und könnte ungeahnte Konsequenzen für die gesamte Region haben."

Am 7. Oktober hatten Terroristen der Hamas und weiterer militanter Palästinensergruppen Israel überfallen und dort Massaker verübt. Sie töteten israelischen Angaben zufolge etwa 1160 Menschen, darunter viele Zivilisten. Rund 250 Menschen wurden zudem als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. 

Als Reaktion auf den Angriff startete Israel einen massiven Militäreinsatz im Gazastreifen. Nach jüngsten Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seitdem mehr als 27.900 Menschen getötet.

Karte: Gazastreifen, schraffiert: von der israelischen Armee kontrollierte Gebiete

Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen, Schraffur: Israelische Armee

Christian Wagner, ARD Tel Aviv, tagesschau, 09.02.2024 17:55 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 09. Februar 2024 um 15:57 Uhr.