Anklage im Iran Neuer Prozess gegen Nobelpreisträgerin Mohammadi
Obwohl vielfach verurteilt, prangert die Menschenrechtsaktivistin Mohammadi weiter Missstände im Iran an - auch aus dem Gefängnis. Wie sie mitteilte, reagierte das Regime in Teheran mit einer neuen Anklage gegen die Nobelpreisträgerin.
Die im Iran im Gefängnis sitzende Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi wird ab diesem Sonntag nach eigenen Angaben wieder vor Gericht stehen. Sie sei angeklagt, weil sie Propaganda gegen das islamische System betrieben haben soll, indem sie fälschlicherweise sexuellen Missbrauch von Frauen in iranischen Gefängnissen angeprangert habe. Das schrieb die 52-Jährige in einem Brief aus dem berüchtigten Ewin-Gefängnis in Teheran.
Mohammadi forderte die iranische Justiz auf, "diesen Prozess öffentlich zu machen und die Teilnahme von unabhängigen Medien und Menschenrechtlern zu erlauben". Sie gilt als eine der bekanntesten Menschenrechtsaktivistinnen in der Islamischen Republik und war im vergangenen Jahr, während sie bereits in Haft war, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden.
Mohammadi ruft Betroffene auf, sich öffentlich zu äußern
"Ich will, dass ihr mich genau deswegen anklagt, aber in Anwesenheit von Zeugen", schrieb Mohammadi in dem Brief, der persischsprachigen Medien im Ausland zugeschickt wurde. Die Anwesenden sollen laut Mohammadi Zeuge sein, wie reaktionär, frauenfeindlich und fortschrittsfeindlich die religiöse Herrschaft in Iran sei. Zuvor hatte ihr Anwalt den neuen Prozess angekündigt. Die Behörden äußerten sich nicht dazu.
Mohammadi rief betroffene Frauen auch auf, ihre Erfahrungen mit Festnahmen und sexuellen Übergriffen durch staatliche Vertreter öffentlich zu machen. Dabei verwies die Menschenrechtsaktivistin auf den Fall der Journalistin und Studentin Dina Ghalibaf, die nach Angaben von Bürgerrechtsgruppen festgenommen worden war, nachdem sie Sicherheitskräften vorgeworfen hatte, ihr bei einer früheren Festnahme in einer U-Bahn-Station Handschellen angelegt und sie sexuell angegriffen zu haben. Ghalibaf wurde später wieder frei gelassen.
Lange Haftstrafen, Peitschenhiebe und Ausreisesperre
Die 52-jährige Physikerin Mohammadi war in den vergangenen Jahren 13 Mal verhaftet und zu hohen Haftstrafen und sogar Peitschenhieben verurteilt worden. Außerdem ist sie mit einer Ausreisesperre belegt, darf nicht Mitglied in einer politischen Gruppe sein und nicht ihr Smartphone benutzen.
Preisverleihung in Abwesenheit der Geehrten
Ein Instagram-Konto, über das immer wieder Äußerungen Mohammadis verbreitet werden, wird von Angehörigen und Freunden im In- und Ausland betrieben. Die Friedensauszeichnung im Jahr 2023 erhielt sie laut dem Nobelkomitee für ihren Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen im Iran und ihren Kampf gegen die Todesstrafe sowie für die Förderung der Menschenrechte und Freiheit für alle. Bei der Zeremonie war war ein großes Porträtbild von ihr aufgehängt worden.
Im Iran hatte es nach dem Tod der 22-jährigen Kurdin Jina Mahsa Amini im September 2022 Massenprotesten gegeben. Die Polizei hatte sie damals festgenommen, weil sie sich angeblich nicht an die strikten islamischen Kleidervorschriften gehalten hatte. Die Sicherheitskräfte gingen bei den monatelangen, landesweiten Protesten vor, unter ihnen sehr viele Frauen. Hunderte Menschen wurden getötet, Tausende festgenommen.