Merkel-Treffen mit Visegrad-Staaten Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten
Sicherheit, Wirtschaft und Jugend - bei diesen künftigen EU-Aufgaben war sich Kanzlerin Merkel bei ihrem Treffen mit den Regierungschefs der vier Visegrad-Staaten einig. Im Streit um die Flüchtlingspolitik setzte Ungarns Premier Orban ein neues Zeichen der Härte.
Bei einem Treffen mit Staats- und Regierungschefs von vier osteuropäischen Staaten hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Prioritäten für gemeinsame Zukunftsaufgaben der EU benannt. Nach dem Austritt Großbritanniens sollten sich die verbleibenden 27 Staaten auf die innere und äußere Sicherheit, die Wirtschaftspolitik und verstärkte Angebote an die Jugend konzentrieren. In diesem Punkt stimmte sie mit den Regierungschefs Polens, Tschechiens, Ungarns und der Slowakei überein, mit denen sie in Warschau über die Perspektiven nach dem Brexit-Votum diskutierte.
Der EU-Austritt Großbritanniens sei "nicht irgendein Ereignis, sondern ein tiefer Einschnitt in der Integrationsgeschichte der EU", sagte Merkel. Dafür müsse eine "sorgfältige Antwort" vorbereitet werden.
"EU als starke Gemeinschaft zusammenhalten"
"Die wichtigste Aufgabe ist es, die EU als Ganzes und starke Gemeinschaft zusammenzuhalten", sagte die polnische Ministerpräsidentin Beate Syzdlo. Auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, der tschechische Regierungschef Bohuslav Sobotka und der slowakische Ministerpräsident Robert Fico unterstrichen die Notwendigkeit, dass die 27 EU-Staaten enger zusammenarbeiten müssten. Alle betonten, man solle sich auf die Bereiche konzentrieren, in denen sich alle einig seien.
Merkel kündigte an, sie werde sich verstärkt um technologische Innovation in Europa bemühen. "Unsere Vorgänger haben im Jahr 2000 gesagt, Europa soll der dynamischste Kontinent der Welt sein", sagte die Kanzlerin. Das sei der europäische Kontinent aber "gerade im Bereich der Digitalisierung heute nicht". Der digitale Binnenmarkt müsse ausgebaut werden, in Europa müssten verstärkt Arbeitsplätze entstehen, "die gut bezahlt werden" und nicht "letztendlich eine verlängerte Werkbank" anderer Kontinente seien.
Sicherheit als Priorität
Ungarn und Tschechien befürworteten in Warschau eine gemeinsame EU-Armee. "Wir sollten das Sicherheitsthema als Priorität ansehen. Und wir sollten eine gemeinsame europäische Armee anstreben", sagte Orban. Sobotka erklärte ebenfalls, über die Gründung einer europäischen Armee solle "eine Diskussion beginnen". Die Sicherheit sei ein grundlegendes Problem, sagte Merkel. In den Bereichen Sicherheit und Verteidigung könne mehr unternommen werden. Die EU-Verträge ließen Möglichkeiten, um die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich weiter auszubauen. Merkel äußerte sich aber nicht direkt zu Forderungen nach Gründung einer europäischen Armee.
Bei dem Treffen wurden zugleich erneut die Meinungsunterschiede zwischen Merkel und den Regierungen der vier sogenannten Visegrad-Staaten deutlich, die vor allem in der Flüchtlingspolitik eine grundsätzlich andere Position vertreten und sich mit aller Macht gegen verbindliche Verteilquoten für Schutzsuchende auf alle EU-Staaten wehren. Eine gemeinsame EU-Asylpolitik gehört nach Ansicht Syzdlos nicht zu den Bereichen, die man vorantreiben sollte.
Ungarn will Grenzanlagen verstärken
Orban sagte vor dem Treffen im ungarischen Rundfunk, sein Ziel sei es, die EU-Politik zur Aufnahme von Flüchtlingen und ihrer Verteilung nach Quoten rückgängig zu machen. "Die Frage ist, ob Angela Merkel bereit ist, mit uns die fehlerhafte Entscheidung aus Brüssel zu revidieren oder nicht." Er kündigte zudem an, zur Verstärkung des bisherigen, mit Stacheldraht bewehrten Zauns entlang der 175 Kilometer langen Grenze zu Serbien solle ein "robusteres Verteidigungssystem" gebaut werden. Mit der neuen Grenzanlage solle es möglich sein, "Hunderttausende" von Flüchtlingen abzuwehren, falls die Türkei ihre Kooperation mit der Europäischen Union in Flüchtlingsfragen aufkündige.
Ungarns Ministerpräsident Orban kündigte eine neue Grenzanlage an.
Merkel sagte dagegen, die EU müsse ihre "humanitäre Verantwortung" wahrnehmen. Zur Lösung der Krise seien mehrere Maßnahmen nötig. Dazu gehörten ein besser Schutz der EU-Außengrenzen, Drittstaatenabkommen der EU mit Herkunftsländern von Flüchtlingen, das Abkommen mit der Türkei sowie verstärkte Hilfe. Die Bundesregierung dringt zudem weiter auf eine faire Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU.