Hintergrund

Ukrainisch-russischer Konflikt Der militärische Hintergrund des Gasstreits

Stand: 25.08.2007 23:48 Uhr

Der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine wird von vielen Kommentatoren als Moskaus Rache für die "Orangene Revolution" in der einstigen Sowjetrepublik gesehen. Mittlerweile hat der Streit wirtschaftlichen Dimensionen längst verlassen. Es geht auch um Einflusssphären und militärische Interessen. Selbst die "Unverletzlichkeit der Grenzen" wird inzwischen in Frage gestellt.

Von Alexander Richter, tagesschau.de

1997 verpachtete die alte ukrainische Regierung unter dem damaligen Präsidenten Leonid Kutschma nach langwierigen Verhandlungen der russischen Marine den Stützpunkt Sewastopol auf der Krim-Halbinsel. Seit Jahrhunderten ist dort die für Russland wichtige Schwarzmeerflotte stationiert, die nicht nur im Schwarzen Meer sondern auch im Mittelmeer operiert.

Die Vereinbarung von 1997 regelt klar, dass der Stützpunkt Sewastopol ukrainisches Gebiet ist und lediglich für 20 Jahre – also bis 2017 – an die russischen Streitkräfte für jährlich rund 100 Millionen Dollar verpachtet wird. Der Vertrag legt den Streitkräften zudem weitere Bedingungen auf. So ist es ukrainischen Angaben zufolge der russischen Marine untersagt, Gebäude unterzuvermieten oder unangemeldet Manöver durchzuführen.

Seit 2005 ist der Vertrag offiziell in der Kritik

Solange der Moskau-treue Kutschma in Kiew die ukrainische Geschicke lenkte, wurde an dem geschlossenen Vertrag nicht gezweifelt. Das hat sich seit der "Orangenen Revolution" vor einem Jahr gewandelt. Bereits in einer seiner ersten Reden machte der neue und prowestliche Präsident Viktor Juschtschenko die Stationierung der russischen Truppen auf der Krim als Problem aus. Angeblich, so meldeten es Nachrichtenagenturen unter Berufung auf Regierungskreise in Kiew, sei der Stützpunkt ein Stolperstein auf dem Weg zur erstrebten Nato-Mitgliedschaft. Nur - direkt und laut sagt das niemand. Der Vertrag sei bindend, beteuert die Ukraine. Sollte sich die russische Marine aber entschließen, früher aus Sewastopol abzuziehen, so werde man sie nicht hindern. Eine Verlängerung des Stationierungsvertrages bezeichnet die Ukraine als "äußerst unwahrscheinlich".

Und so taucht seit dem Frühjahr 2005 das Thema russische Schwarzmeerflotte regelmäßig in der Berichterstattung auf, vor allem in Russland und der Ukraine. Die eine Seite beklagt ungerechte Pachtbedingungen und die andere sieht sich einer Kampagne ausgesetzt, die zum Ziel hat, den Marinehafen früher als vereinbart zu räumen.

"Die Flotte zahlt eine lächerliche Pacht"

Besonders deutlich wird das im Sommer 2005. Am 16. Juli druckt die Zeitung "Die Welt" ein Interview mit dem Juschtschenko-Vertrauten Anatolij Matwijenko ab. Dieser erwähnt Probleme, die durch die Anwesenheit der russischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol verursacht würden. "Die Flotte zahlt eine lächerliche Pacht - aber verursacht Umweltschäden, die sich auf Hunderte Millionen Dollar belaufen. Und dass (russische) Truppen ohne Anmeldung ein Landemanöver abhalten, so dass unsere Sicherheitskräfte sie erst einmal blockieren mussten, ist auch nicht in Ordnung."

Entweder schlechte Beziehungen oder gute Kooperation

Nur einen Tag später kommt aus Moskau das Echo: Die Ukraine versuche, die russische Schwarzmeerflotte aus dem Stützpunkt herauszuekeln, sagte Generalleutnant Leonid Iwaschow laut einer offiziellen Mitteilung der Russischen Akademie für Geopolitische Probleme. Sollte sich die Nato-freundliche Politik der Ukraine nicht ändern, warnte Iwaschow, könnte das die russischen Beziehungen sowohl zur Ukraine als auch zur Nato schädigen. Es gebe aber die "Chance" das abzuwenden, so die doppeldeutige Aussage des Militärs. Unter anderem bestünde die Möglichkeit, die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Ländern zu vertiefen.

Vier Milliarden Dollar versus 2,5 Milliarden Dollar

Nahezu zum gleichen Zeitpunkt werden erste Meldungen verbreitet, dass der russische Staatskonzern Gazprom Erdgas zu günstig an die Ukraine abgebe. Der Preis von 50 Dollar sei nicht dem Weltmarkt angemessen. Russlands Präsident Wladimir Putin rechnet vor, dass zwischen beiden Preisen eine Differenz von vier Milliarden Dollar jährlich klaffe. Eine Summe, die besser in Bildungs- und Gesundheitsprogrammen im eigenen Land investiert wäre, so Putin. Ukrainische Medien machen eine Gegenrechnung auf: Eigentlich müsste die russische Marine auf der Krim bis zu 2,5 Milliarden Dollar Miete zahlen.

Kaum verhohlene Drohung aus Moskau

Die beiderseitige Zahlenakrobatik lässt die Fronten weiter verhärten. "Wenn wir zu Weltpreisen übergehen, so ist Kiew offenbar berechtigt, auch die Stationierung der ausländischen Truppen auf seinem Territorium nach Weltpreisen zu berechnen", sagt Matwijenko im Dezember. Russlands Außenminister Sergej Iwanonw kontert mit einer bedrohlichen Andeutung: Änderungen beim Vertrag oder bei der Pacht könnten "verhängnisvoll" sein. Das Stationierungsabkommen sei Teil eines größeren russisch-ukrainischen Vertragswerks, dessen zweiter Teil Bestimmungen zur "Unverletzlichkeit der Grenzen" beider Länder enthalte, wird Iwanonw von der Nachrichtenagentur Interfax zitiert.