Premiere für die britische Premierministerin Theresa May am Katzentisch
Premiere für Theresa May: Nach 100 Tagen im Amt ist die britische Premierministerin erstmals bei einem EU-Gipfel. Ihre Rolle ist ungewöhnlich. Zwar ist der Brexit noch nicht vollzogen, Mays Platz wird dennoch am Katzentisch sein.
Noch hat sie das Austrittsschreiben nicht im Gepäck, noch haben die Brexit-Verhandlungen nicht einmal begonnen, und noch liegt der Ausstieg Großbritanniens in weiter Ferne. Aber trotzdem sitzt Theresa May, wenn sie heute erstmals zum EU-Gipfel nach Brüssel reist, bereits am Katzentisch. Die übrigen 27 planen die europäische Zukunft ohne die Briten. Das Wort der britischen Premierministerin hat kein Gewicht mehr.
Denn wenn auch in den Einzelheiten vieles noch unklar ist - eines ist klar: Die Briten werden die EU verlassen. Seit ihrem Amtsantritt vor 100 Tagen predigt die britische Premierministerin Brexit bedeute Brexit, und sie werde daraus einen Erfolg machen.
Gehen die britischen Forderungen zu weit?
So unumstritten die ersten drei Worte dieses Mantras auch sind, so groß sind die Fragezeichen hinter dem zweiten Teil des Satzes. Ob der Brexit eine Erfolgsstory wird, hängt davon ab, wie das künftige Verhältnis zwischen Großbritannien und der EU aussehen wird. May und ihre Minister lassen sich bisher kaum in die Karten gucken. Auf dem Parteitag der Konservativen hat die Premierministerin vor zwei Wochen immerhin ein paar Pflöcke eingeschlagen. Es werde in Zukunft eine Begrenzung der Zuwanderung aus EU-Staaten geben, und die Herrschaft des EU-Rechtes über britisches Recht werde ein Ende haben.
Beides ist nicht mit der Mitgliedschaft im europäischen Binnenmarkt vereinbar. Sogar Nicht-EU-Mitglieder wie Norwegen akzeptieren die Freizügigkeit der Personen und die Rechtsnormen der EU als Gegenleistung für den freien Zugang zum europäischen Binnenmarkt. In ähnlicher Form gilt das auch für die Handelsverträge mit anderen Nicht-EU-Mitgliedern. Großbritannien aber werde weder das norwegische noch das Schweizer Modell der Zusammenarbeit mit der EU akzeptieren, so May.
Risse in Kabinett und Fraktion
Wie aber könnte eine solche Vereinbarung aussehen? Auf dem Parteitag in Birmingham bejubelten die Konservativen die harte Linie Mays und ihrer Minister. Es dominierte der Glaube, dass die übrigen EU-Mitglieder, vor allem jene, die wie Deutschland um ihre Exporte auf die Insel fürchten, am Ende einknicken und die britischen Forderungen für den freien Handel akzeptieren würden. Doch nachdem der Jubel des Parteitags verklungen war, zeigten sich plötzlich Risse im Kabinett und in der Fraktion. Konservative Abgeordnete wie Claire Perry attackierten ihre eigenen Minister im Unterhaus, forderten sie auf, die Anti-EU-Ideologien hinter sich zu lassen und britische Jobs zu schützen.
Wo May steht, ist unklar
In den Zeitungen stehen jetzt fast täglich Berichte über massive Auseinandersetzungen am Kabinettstisch. Die knallharten "Brexiteers" unter den Ministern wie David Davis, Liam Fox und Boris Johnson werfen angeblich Schatzkanzler Philip Hammond vor, einen klaren Schnitt mit der EU zu sabotieren. Und während Gerüchte über einen Rücktritt des Finanzministers ins Kraut schießen, werden Hammonds Unterstützer mit den Worten zitiert, Vorsicht liege nun einmal in seiner politischen DNA. Wo die Premierministerin in dieser Auseinandersetzung steht, bleibt unklar. Wenn sich also heute in Brüssel fragende Augen auf den Katzentisch richten, dann werden sie keine Antwort bekommen. Näheres frühestens im März, wenn May das Austrittsschreiben übergibt.