Reaktionen auf Brexit-Abstimmung In Uneinigkeit vereint
Die Abstimmung über Alternativen zum Brexit-Deal im Unterhaus hat keine Klarheit gebracht. Die Abgeordneten lehnten alle Anträge ab. Ihre Reaktionen reichen von Enttäuschung über Lachen bis zu Zweckoptimismus.
Die Abstimmung im Unterhaus sollte eigentlich Klarheit schaffen. Im Idealfall sollte sie eine Richtung vorgeben, welche Alternative zu dem Brexit-Abkommen von Premierministerin Theresa May eine Mehrheit gewinnen könnte. Doch daraus wurde nichts. Die Abgeordneten stimmten gegen alle acht Optionen. Darunter waren mehrere weiche Formen des Brexit - etwa eine Zollunion, ein No-Deal oder auch ein weiteres Referendum.
Kleine Erfolge
Der ehemalige Labour-Abgeordnete Chuka Umunna, der sich aus Protest einer unabhängigen Gruppe angeschlossen hatte, hebt das Ergebnis für eine weitere Volksabstimmung über den finalen Deal als kleinen Erfolg hervor. 268 Abgeordnete stimmten dafür, 295 dagegen. "Das signifikanteste an diesem Ergebnis ist, dass ein weiteres Referendum das höchste Ergebnis erzielt hat", sagte Umunna. "Dafür haben mehr Abgeordnete gestimmt als für Theresa Mays Deal. Und ich denke, das sagt etwas aus."
Auch der Vorschlag einer parteiübergreifenden Gruppe - der Verbleib in einer Zollunion mit der EU - gehörte zu den besseren Ergebnissen. Am Montag soll erneut über die Alternativen abgestimmt werden. Welche Optionen ausgewählt werden und wie verfahren wird, ist allerdings noch unklar. Doch auch an diesem Tag werden die Abgeordneten wie auch beim vergangenen Mal die Kontrolle über die Tagesordnung im Unterhaus übernehmen.
Enttäuschung, Fassungslosigkeit, Empörung, Lachen
Nach der Verkündung der Ergebnisse waren viele enttäuscht. Einige lachten, andere konnten es kaum fassen. "Das Letzte, was wir machen wollen, ist diese Farce in aller Öffentlichkeit zu wiederholen", empörte sich der konservative Abgeordnete Mark Francois.
Fast ein wenig triumphierend ergriff Brexit-Minister Stephen Barclay das Wort: "Das Resultat dieses Prozesses, den das Unterhaus heute durchlaufen hat, stärkt unsere Ansicht, dass der von der Regierung ausgehandelte Deal immer noch die beste Option ist."
Tränen in den Augen
Kurz vor dem Votum hatte May bei einem Treffen mit dem einflussreichen Tory-Gremium - dem 1922 Komitee - verkündet, dass sie zurücktreten würde. Abgeordnete berichteten, dass sie Tränen in den Augen gehabt habe. Auch Justizminister David Gauke war unter den Anwesenden. Der BBC sagte er:
Ich habe gerade so noch einen Platz in dem Raum gefunden, so voll war es. Das war wirklich eine sehr bewegende Rede. Sie sagte, wenn das die Voraussetzung dafür ist, dass das Abkommen eine Mehrheit gewinnt, dann werde ich gehen, sobald der Brexit durch ist.
Mays Rücktrittsankündigung scheint nicht zu reichen
Für einen Moment schien Bewegung in den Brexit-Prozess zu kommen. Vor der Abstimmung hatten mehrere Abgeordnete bereits angekündigt, dass sie Mays Deal unterstützen würden, wenn sie zurücktritt. Darunter war auch ihr Widersacher, der Brexit-Hardliner und ehemalige Außenminister Boris Johnson. Auch der einflussreiche konservative Hinterbänkler Jacob Reese-Moog schloss seine Unterstützung nicht mehr aus - jedoch nur unter der Bedingung, dass die kleine nordirische Partei DUP mitzieht.
Doch Mays Rücktrittsankündigung scheint nicht zu reichen. Noch am Abend verkündete die DUP-Chefin Arlene Foster, dass "der Backstop in diesem Austrittsabkommen" es für ihre Partei unmöglich mache, den Deal zu unterstützen. "Ich bedauere das", so Foster. "Wir wollten ein Abkommen, einen Deal, der für ganz Großbritannien funktioniert, einen Deal, der auch für Nordirland gut ist. Aber jetzt sind wir in einer Situation, in der wir das Austrittsabkommen nicht unterschreiben können, weil die Premierministerin sich für diesen Backstop entschieden hat."
Ein schier unlösbares Problem
Seit Monaten ist der Backstop der größte Streitpunkt. Er bedeutet ein schier unlösbares Problem und soll die Notfalllösung sein, die eine offene Grenze zwischen Irland und Nordirland gewährleistet. Die DUP, auf die Mays Minderheitsregierung angewiesen ist, fordert rechtlich bindende Änderungen am Austrittsabkommen. Die Partei befürchtet einen Sonderstatus für Nordirland.
Doch mehr als eine Zusatzerklärung ist in Brüssel nicht zu holen. Es sieht so aus, als würde May den Briten doch noch ein wenig erhalten bleiben. Denn auch sie hatte ihren Rücktritt an eine Bedingung geknüpft: Wenn sie eine Mehrheit für ihr Abkommen gewinnt, dann macht sie Platz für einen Nachfolger. Doch danach sieht es derzeit immer noch nicht aus.