Bericht des Sonderermittlers Marty Europarat rügt Willkür bei Terrorlisten von Uno und EU
EU und Uno verstoßen im "Anti-Terror-Kampf" gegen grundlegende Prinzipien des Rechtsstaats - das behauptet der Europarat-Ermittler Marty. In einem Bericht kritisiert er vor allem das Verfahren der "Schwarzen Listen" für Terrorverdächtige. Diese bedeuteten "eine Art von Todesurteil".
Die von der Europäischen Union und den Vereinten Nationen geführten Listen mit Terrorverdächtigen verstoßen nach Ansicht des Sonderermittlers des Europarates gegen grundlegende Rechtsstaatsprinzipien. "Die gegenwärtige Praxis der Schwarzen Listen tritt grundlegende Menschenrechte mit Füßen und nimmt dem internationalen Kampf gegen den Terrorismus jegliche Glaubwürdigkeit", kritisierte Dick Marty in einem Bericht, der in einem Ausschuss des Europarates vorgestellt wurde.
Die Verdächtigen hätten nicht die Möglichkeit bekommen, sich zu den Anschuldigungen gegen sie zu äußern oder ihre Namen gegebenenfalls wieder reinzuwaschen, so Marty weiter. Das widerspreche internationalen und europäischen Abkommen, die von den beteiligten Ländern ratifiziert worden seien. Der Eintrag lediglich aufgrund "vager Verdachtsmomente" bedeute "eine Art von Todesurteil" für Privatpersonen, deren Konten gesperrt würden und die nicht mehr ins Ausland reisen dürften, bekräftigte der 62-jährige Schweizer Abgeordnete und frühere Tessiner Staatsanwalt bei der Vorstellung des Berichts in Paris.
Marty appellierte an EU und Uno, bei der Verhängung von Sanktionen minimale juristische Standards einzuhalten. Er schlägt in seinem Bericht vor, die betroffenen Bürger nicht nur über ihre Auflistung, sondern auch über die ihnen vorgeworfenen Tatbestände zu informieren, damit sie sich um eine angemessene Verteidigung bemühen können. Auch sollte ihnen im Fall von Rechtsverletzungen ermöglicht werden, Schadenersatz einzufordern.
"Heutzutage hat ein Serienkiller mehr Rechte als ein Mensch, der auf einer Terrorliste steht."
Es müsse ein festgelegtes Verfahren geben, um seinen Namen von einer solchen Liste streichen zu lassen, forderte Marty. "Denn, und das ist offen gesagt die Krönung, ein solches Verfahren existiert nicht." Gegenwärtig sei es "praktisch unmöglich, seinen Namen von einer schwarzen Liste streichen zu lassen", eine Lage, die "illegal und nicht hinnehmbar" sei.
Ermittlungen zeigen erste Erfolge
Martys Ermittlungen, die er vor etwa einem Jahr in Angriff genommen hatte, haben bereits erste Erfolge gezeigt. Personen werden nach Angaben des Europarates jetzt schriftlich informiert, bevor sie auf die Liste gesetzt werden - und Länder können einen Antrag stellen, um eine Einzelperson von der Liste wieder herunterzunehmen. Marty zufolge stehen auf der Schwarzen Liste der Uno weltweit etwa 370 Personen, die EU führe etwa 60 Menschen auf ihrer Liste. Der Sonderermittler hatte zuvor bereits Untersuchungen über CIA-Geheimflüge und Geheimgefängnisse in Europa geleitet.
Der UN-Sicherheitsrat stellte 1999 erstmals eine Liste zusammen, auf der mutmaßliche Anhänger der Extremistengruppen Al Kaida und Taliban standen. Sie enthält 368 Einzelpersonen und 124 Organisationen. Die UN-Mitgliedsstaaten sind aufgefordert, Vermögenswerte der Genannten einzufrieren und den Waffenhandel mit ihnen zu unterbinden.
Die EU unterhält eine eigene Liste, die letztmalig Mitte 2007 aktualisiert wurde. Auf ihr stehen 35 Personen und 30 Organisationen, darunter die Volksmudschahedin, die radikale Palästinenserbewegung Hamas und die baskische Untergrundorganisation Eta. Die Liste wird EU-Angaben zufolge vom EU-Rat alle sechs Monate überprüft.
Auch EuGH urteilte gegen EU-Praxis
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat schon mehrfach die EU-Praxis der "Schwarzen Liste" kritisiert. Mitte Dezember 2006 verfügten die Luxemburger Richter in erster Instanz, dass die Organisation "Iranische Volksmudschahedin" von der Liste gestrichen werden müssten. Zur Begründung führten sie an, dass die "Volksmudschahedin" nicht über den Schritt der EU informiert und nie angehört worden sei. Es war der erste Fall, dass eine Organisation ihre Streichung von der Liste gerichtlich durchsetzen konnte. Im Juli dieses Jahres wehrten sich dann erfolgreich die in den Niederlanden ansässige Stiftung Al Aksa und der philippinische Kommunistenführer Jose Maria Sison gegen die Aufführung ihrer Namen. Alle drei Kläger sind noch auf der aktuellsten Terrorliste der EU zu finden.