Bericht zu Unschuldigen auf "Terrorlisten" Marty wettert gegen die "zivile Todesstrafe"

Stand: 11.11.2007 12:02 Uhr

Auf den Schwarzen Listen der Uno und der EU über Terrorverdächtige stehen nach Worten des Europaratsermittlers Marty auch Unschuldige. Für eine Privatperson bedeute ein solcher Eintrag die "zivile Todesstrafe", sagte Marty, der seine Untersuchung heute im Detail vorstellen will.

Der Europaratsermittler Dick Marty hat heftige Kritik an der Behördenpraxis im Zusammenhang mit den Schwarzen Listen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union über Terrorverdächtige geübt. Seinen Erkenntnissen zufolge stehen auf den "Terrorlisten" nämlich auch unbescholtene Bürger.

"Rechtsstaatlich nicht vertretbar"

Für eine Privatperson aber, die nur aufgrund "vager Verdachtsmomente" in das Visier des US-Geheimdienstes CIA geraten sei, bedeute ein solcher Eintrag eine "zivile Todesstrafe", sagte Marty, der seine Erkenntnisse morgen in allen Einzelheiten darlegen will. Es sei "skandalös und rechtsstaatlich nicht vertretbar", dass Personen weder über den Eintrag in die Liste noch über die Gründe dafür informiert würden, sagte Marty laut einer Presseerklärung des Europarats.

Der Fall Youssef Nada - einer von vielen?

Auslöser der Untersuchung ist der Fall des 76-jährigen Italieners ägyptischer Herkunft Youssef Nada, dessen Geschäft durch den Eintrag in die Schwarze Liste ruiniert worden ist. Nach dem Verdacht der CIA soll Nada zu den Finanzgebern der Anschläge vom 11. September 2001 gehören; doch vierjährige Ermittlungen der Schweizer Justiz, die der Betroffene selbst gefordert hatte, haben keine Verdachtsmomente ergeben.

"Keiner kann sagen, dass ich in meinem Leben irgendetwas Unrechtes getan habe", wird Nada von der Deutschen Presse Agentur zitiert. "Meine Konten sind gesperrt, ich kann seit fünf Jahren nicht mehr arbeiten und auch nicht über die Grenze zum Arzt fahren." Er sei auf die Schwarze Liste gesetzt worden, ohne informiert zu werden, ohne angehört zu werden und ohne Möglichkeit, dagegen juristisch vorzugehen. Aus seinem Glauben habe er nie einen Hehl gemacht, so Nada, der sich selbst als islamischen Aktivisten bezeichnet, der friedlich und ohne jede Gewalt die Menschen zu überzeugen suche.

Der Fall Nada "ist nur ein Beispiel von vielen", sagte der Europaratsermittler. Das Verfahren im Sanktionsausschuss des UN-Sicherheitsrats und im EU-Ministerrat, das die Grundlage für die Listen bildet, ist nach Ansicht Martys ein "rechtsstaatlicher Skandal unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung". Es schaffe gravierendes Unrecht für viele Einzelpersonen, gegen die kein Beweis einer strafrechtlicher Handlung vorliegt.

Diffuses Verfahren

Wie viele Unschuldige in die Liste mit mehreren tausend Einzelpersonen geraten sind, ist nicht klar, Marty vermutet jedoch eine Reihe von Einzelfällen. Die Regierungsvertreter bei Uno und EU, die auf Wunsch der USA die Verdächtigen in die Schwarze Liste eintragen, wissen nach Angaben Martys meistens auch nicht, welche Verdachtsmomente gegen diese Personen vorliegen. Auch habe es bisher keine Möglichkeit gegeben, von der Liste wieder herunterzukommen.

Glaubwürdigkeitsprobleme

Marty wendet sich nicht gegen die Listen an sich, die die Terrororganisation Al Kaida und die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK enthalten, doch das willkürliche Verfahren der Auflistung "macht den internationalen Kampf gegen den Terrorismus unglaubwürdig". Und die EU, die sich der Grundrechtscharta verschrieben habe, schade mit derart "indiskutablen Prozeduren" ihrem Image.

Marty erzielt erste Erfolge

Martys Ermittlungen, die er vor etwa einem Jahr in Angriff genommen hatte, haben bereits erste Erfolge gezeigt. Personen werden nach Angaben des Europarates jetzt schriftlich informiert, bevor sie auf die Liste gesetzt werden - und Länder können einen Antrag stellen, um eine Einzelperson von der Liste wieder herunterzunehmen.