Erweiterte EU-Mission Malis Lage bleibt prekär
Terrorismus, Verbrechen des Militärs und nun das Coronavirus: Das westafrikanische Mali bleibt ein Krisenherd. Der Bundestag hat einer Ausweitung des Bundeswehreinsatzes zugestimmt.
"Um 5.00 Uhr morgens kamen sie ins Dorf und begannen zu töten", erzählt Binta Sagara. "Sie haben sieben Menschen getötet, meinen Mann, meinen großer Bruder. Wir haben genug. Ich bin hier mit meinen Kindern und wir wissen nicht weiter. Wir brauchen Hilfe."
Binta Sagaras Schilderung aus der nordmalischen Stadt Gao ist die Geschichte von Millionen von Menschen in der Sahelzone. Terroristen haben in der Region Tausende Menschen getötet und Millionen vertrieben. Daran haben auch sieben Jahre massive internationale Militärinterventionen nichts geändert.
Und das kritisiert auch die Bevölkerung immer lauter, so wie diese Demonstrantin aus der Hauptstadt Bamako: "Mali und die Malier haben genug von dem, was hier passiert. Man tötet unsere Kinder. Man tötet unsere Eltern. Man tötet schwangere Frauen. Mali sollte von der Operation Barkhane beschützt werden. Was machen die?"
12.000 internationale Soldaten in Mali
Barkhane, so heißt die von den Franzosen geführte Militäroperation. Mehrere internationale Militärbündnisse befinden sich in Mali. Die UN-Stabilisierungsmission MINUSMA zum Beispiel, an der auch die Bundeswehr beteiligt ist.
Soldaten der malischen Streitkräfte treten im Ausbildungszentrum der EU im malischen Koulikoro an.
MINUSMA gilt bis heute als die gefährlichste Blauhelm-Mission weltweit. Die EU bildet malische Sicherheitskräfte aus. Das afrikanische Anti-Terror-Bündnis G5-Sahel jagt Terroristen über die Landesgrenzen hinaus. Über 12.000 internationale SoldatInnen sind in Mali - trotzdem spitzt sich die Lage zu. ZivilistInnen und SoldatenInnen werden immer wieder das Ziel von Anschlägen.
Gründe für Gewalt gibt es viele
Die Gewalt kommt in Mali aus verschiedenen Richtungen: Bandenkriminalität, ethnische Spannungen, Landnutzungskonflikte, konkurrierende Milizen, und das längst nicht mehr nur im Norden Malis, sondern vor allem auch im Zentrum. Viele Malier machen sogar Malis Militär für Verbrechen verantwortlich, zum Beispiel für außergerichtliche Tötungen - ohne Prozess, ohne Urteil. Das dokumentieren auch Berichte der Vereinten Nationen.
"Die Dynamik in der Region hat sich nicht verändert", sagt Sicherheitsexperte Dario Cristiani vom German Marshall Fund in Washington. Für die sowieso schon schwachen Krisenstaaten stehe zurzeit der Kampf gegen das Coronavirus im Vordergrund und nicht der Terrorismus.
Corona erschwert alles
Die Corona-Maßnahmen binden Sicherheitskräfte, zum Beispiel um Ausgangssperren und Versammlungsverbote durchzusetzen. Auch internationale Truppen passen sich der Ausnahmesituation an, wie auch die Bundeswehr. Sie hat ihre Beteiligung am EU-Ausbildungsprogramm für malische Soldaten personell auf ein Minimum reduziert. SoldatInnen vor Ort sprechen von erheblichen Einschränkungen durch die Pandemie.
Die wirtschaftlichen Konsequenzen der Krise könnten zum Problem werden, sagt Dario Cristiani. "Es gibt durchaus die Möglichkeit, dass diese schwachen Staaten in Westafrika und der Sahelzone mehr Ressourcen ins staatliche Gesundheitswesen stecken als in die Sicherheit. "
Langfristig hinge es auch davon ab, wie schwer die europäischen Staaten wirtschaftlich von der Krise getroffen würden: "In Europa werden wir bei einigen Staaten eine signifikante Reduzierung in den Ausgaben für Verteidigung sehen und keinen großen Appetit darauf, sich im Ausland militärisch mehr einzubringen", vermutet Cristiani.
Verhandlungen mit Dschihadisten
In Mali versucht die Regierung politisch trotzdem zu demonstrieren, dass der Staat funktioniert. Ende März wurden Parlamentswahlen durchgeführt. Trotz Corona, trotz Sicherheitslage, obwohl kurz vor den Wahlen auch noch der Oppositionschef von Extremisten entführt worden war.
Malis Präsident hat vor Monaten einen Strategiewechsel angekündigt. Man wolle versuchen, mit den Dschihadisten zu verhandeln. Dazu raten Sicherheitsexperten seit Jahren.
Denn Malis prekäre Sicherheitssituation sei auch das Ergebnis davon, dass der Staat in vielen Regionen schlichtweg nicht mehr sichtbar sei. Bildung, Arbeit, Gesundheit - in diese Lücke stießen dann Extremisten, sagt Konfliktforscher Bakary Sambe vom Afrikanischen Zentrum für Friedensforschung.
"Kalaschnikows töten keine Ideologie"
"In der Menschheitsgeschichte hat eine Kalaschnikow noch nie eine Ideologie getötet. Die Ideologie des Terrorismus muss bekämpft werden mit Bildung, sozialen Reformen und Antworten für die Jugend, die sich verzweifelt in Booten Richtung Europa aufmacht."
Man dürfe sich nicht auf das Militär verlassen: "Meiner Meinung nach hat das den Terrorismus noch nie aufgehalten. Die Amerikaner sind seit 15 Jahren in Afghanistan und die Taliban sind immer noch da", sagt Sambe.
Europäische Staaten haben angekündigt, ihr Engagement in der Region zu verstärken, auch Deutschland. Die Vereinten Nationen wollen unter anderem stärker die Bereiche Gesundheit und regionale Verwaltung unterstützen. Auch das fordern SicherheitsexpertInnen schon lange.