Appell für Umbau der EU Was Macron fordert
Macron ist kein Mann kleiner Gesten - große Bühne und mitreißende Worte passen eher zum französischen Präsidenten. Jetzt - in Sichtweite der Europawahl - wendet er sich mit einem flammenden Appell an die Europäer. Was Macron fordert - ein Überblick.
Nicht weniger als eine "europäische Renaissance", ein Neubeginn in Europa fordert Macron in einem Gastbeitrag in 28 großen europäischen Zeitungen - doch was schlägt der französische Präsident konkret vor und wie neu sind diese Ideen? Auf jeden Fall ist sein Appell gleich zu Beginn voller Leidenschaft:
Bürger Europas, wenn ich mir heute erlaube, mich direkt an Sie zu wenden, dann tue ich das nicht nur im Namen der Geschichte und der Werte, die uns einen, sondern weil dringend gehandelt werden muss. In wenigen Wochen wird die Europawahl über die Zukunft unseres Kontinents entscheiden. Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg war Europa so wichtig. Und doch war Europa noch nie in so großer Gefahr.
Gefahr drohe durch Populismus, Spaltung und Abschottung, als Maßnahmen dagegen nennt Macron Freiheit, Schutz und Fortschritt.
Zum Schutz der Demokratie schlägt Macron die Gründung einer europäischen Agentur vor, die in jeden Mitgliedsstaat europäische Experten entsendet, um Wahlen vor Hackerangriffen und Manipulationen zu schützen. Die Finanzierung europäischer politischer Parteien durch fremde Mächte soll verboten werden. EU-weite Regelungen sollen Hass- und Gewaltkommentare aus dem Internet verbannen.
Grenze und Asyl
Macron spricht sich für strenge Grenzkontrollen und eine gemeinsame Asylpolitik mit einheitlichen Regeln für Anerkennung und Ablehnung aus. Dazu soll es eine gemeinsame Grenzpolizei und eine europäische Asylbehörde geben. Doch das ist nicht neu. Konkrete Pläne für all das liegen bereits seit langem auf dem Tisch - nur konnten sich die EU-Staaten bislang nicht auf die Umsetzung einigen. Es mangelt an Solidarität untereinander, man erinnere sich nur an die Flüchtlingsquote. Auch der Ausbau der europäischen Grnezschutzagentur Frontex kommt nicht voran.
Verteidigung
Macron fordert einen Vertrag über Verteidigung und Sicherheit.
Wir müssen unsere unentbehrlichen Verpflichtungen in einem Vertrag über Verteidigung und Sicherheit festlegen, im Einklang mit der NATO und unseren europäischen Verbündeten: Erhöhung der Militärausgaben, Anwendungsfähigkeit der Klausel über die gegenseitige Verteidigung, Europäischer Sicherheitsrat unter Einbeziehung Großbritanniens zur Vorbereitung unserer gemeinsamen Entscheidungen.
Zur Erhöhung der Militärausgaben haben sich die EU-Staaten bereits verpflichtet. Einen EU-Vertrag inklusive einer Klausel für den Angriffsfall gibt es ebenfalls bereits.
Wettbewerb
Macrons Vorschläge zur Wettbewerbspolitik sind weitreichend. Er will Unternehmen bestrafen oder ihnen verbieten, die strategischen Interessen und wesentlichen Werte der EU untergraben - zum Beispiel in den Bereichen Umwelt, Datenschutz oder Steuern. Zugleich soll es eine bevorzugte Behandlung europäischer Unternehmen geben, wenn es um öffentliche Aufträge und strategische Branchen geht. Sein Argument: Die Konkurrenten USA und China handelten genauso.
Frankreichs Präsident Macron platziert seinen Europa-Appell in vielen Zeitungen.
Soziales
Zudem fordert Macron eine europaweite soziale Grundsicherung sowie einen europaweiten Mindestlohn, angepasst an die länderspezifischen Verhältnisse und jedes Jahr gemeinsam neu verhandelt. Unterstützung von sozialdemokratischen und linken Wählern dürfte Macron hier sicher sein. Die Aussichten für eine schnelle Umsetzung solcher Vorschläge sind allerdings gering.
Umwelt
Macron will strikte Kliamschutzziele: "Die Europäische Union muss ihr Ziel festlegen - Reduzierung der CO2-Emissionen auf Null bis 2050, 50 Prozent weniger Pestizide bis 2025 - und ihre Politik diesem Ziel unterordnen", schreibt er. Um den ökologischen Wandel zu fördern und zu finanzieren, schlägt Macron eine Europäische Klimabank vor. Ähnliches gibt es aber bereits: Die Europäische Investitionsbank gilt als der weltweit größte multilaterale Geldgeber für Klimaprojektfinanzierungen.
Internet
Eine europäische Überwachung und Regulierung der Internet-Giganten und schnellere Strafen bei Verstößen gegen Wettbewerbsregeln oder Intransparenz der Algorithmen, fordert Macron. Außerdem müsse Europa auch die Innovation finanzieren, "indem es den neuen Europäischen Innovationsrat mit einem Budget ausstattet, das mit dem in den USA vergleichbar ist, um sich an die Spitze der neuen technologischen Umwälzungen wie der Künstlichen Intelligenz zu stellen."
Um seine Vorstellung von Europa voranzubringen, will Macron noch vor Ende dieses Jahres mit den Vertretern der EU-Institutionen und der Staaten eine Europakonferenz ins Leben rufen.
Macrons ehrgeizige Pläne zum Umbau der EU erinnern ein wenig an seine berühmte Sorbonne-Rede im Herbst 2017. Dabei forderte er die "Neugründung eines souveränen, vereinten und demokratischen Europas". Von den großen Hoffnungen ist wenig geblieben - auch weil Deutschland bei vielen Ideen nicht mitspielen wollte.
(Quelle: dpa)