"Vertrag von Aachen" unterzeichnet Freundschaft statt "mein Land first"
Deutschland und Frankreich haben einen neuen Freundschaftspakt besiegelt. Sowohl Kanzlerin Merkel als auch Präsident Macron betonten dessen besondere Bedeutung in Zeiten von wachsendem Nationalismus.
Exakt 56 Jahre nach Unterzeichnung des "Élysée-Vertrages" haben Deutschland und Frankreich einen neuen Freundschaftspakt besiegelt. Im Krönungssaal des historischen Aachener Rathauses setzten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident Emmanuel Macron ihre Unterschriften unter einen neuen deutsch-französischen Freundschaftsvertrag - den "Vertrag von Aachen".
Merkel sagte, es sei ein "bedeutender Tag für die deutsch-französische Freundschaft". Das Verhältnis beider Länder nannte sie eine "einzigartige Beziehung". Dies sei angesichts der langen Epoche von Rivalität und Kriegen zwischen beiden Ländern nicht selbstverständlich. Die deutsch-französische Freundschaft sei inzwischen tief in den beiden Gesellschaften verwurzelt. "Damit hat die Geschichte eine Wendung genommen, die für uns nicht glücklicher hätte sein können." Merkel: "Eine unendliche Bereicherung"
Den neuen deutsch-französischen Freundschaftsvertrag bezeichnete sie als gemeinsame Antwort beider Länder auf erstarkenden Populismus und Nationalismus. In diesen "besonderen Zeiten" brauche es entschlossene, eindeutige, klare und zukunftsgerichtete Antworten.
Zahlreiche Organisationen warteten auf das Signal einer deutsch-französischen Kooperation im Geiste Europas, sagte Merkel. "Wir werden hart daran arbeiten müssen, dass wir uns immer besser verstehen - nicht nur sprachlich." Am Ende werde es aber "eine unendliche Bereicherung". Ihre Rede beendete Merkel mit den Worten: "Es lebe die deutsch-französische Freundschaft."
Die Zeremonie fand an einem historischen Ort statt: im Krönungssaal des Aachener Rathauses.
Macron: "Europa wird nicht überleben in Zwietracht"
Im Anschluss sprach der französische Präsident. Er nannte die deutsch-französische Freundschaft ein "historisches Wunder", dessen Kraft manchmal unterschätzt werde. Macron lobte ausdrücklich Merkels Engagement. Sie habe "niemals nachgelassen", Deutschland und Frankreich anzunähern.
Auch Macron betonte die Bedeutung des Vertrages in Zeiten zunehmend nationalistischer Tendenzen. Deutschland und Frankreich müssten mit einer gemeinsamen Stimme sprechen. Die Bedrohung komme heute nicht mehr vom Nachbarn, sondern von außerhalb Europas und aus dem Inneren unserer Gesellschaft. "Europa wird nicht überleben in Zwietracht".
Macron betonte, dass Europa kein Traum eines neuen Imperiums sei, sondern ein demokratisches Projekt. Der Präsident beendete seine Rede mit den Worten: "Es lebe unsere Freundschaft und es lebe Europa."
"Gelbwesten"-Protest vor dem Rathaus
In Sichtweite des Aachener Rathauses demonstrierten während der Zeremonie etwa 120 Menschen für mehr soziale Gerechtigkeit. Einige von ihnen trugen gelbe Westen, die in Frankreich zum Symbol einer Protestbewegung gegen Macrons Reformpolitik geworden sind. Nach Angaben der Polizei handelte es sich bei den Demonstranten überwiegend um Deutsche, nicht um Franzosen.
Laschet: "Das deutsch-französische Tandem läuft"
Eröffnet worden war die Zeremonie von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident - der in seiner Rede zwischen Deutsch und Französisch wechselte. Es habe wohl kaum einen Moment gegeben, "in dem es mehr darauf ankam, dass das deutsch-französische Tandem läuft", sagte er. Mit dem Pakt zeigten Deutschland und Frankreich Handlungsfähigkeit. "Er ist das Gegenmodell zu 'Mein Land first' - er zeigt, wie die großen Herausforderungen gemeinsam gelöst werden können", sagte er.
An der Zeremonie nahmen auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EU-Ratschef Donald Tusk und Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis teil, der derzeit turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft inne hat. Alle drei würdigten die Bedeutung des Vertrages. Tusk betonte, die verstärkte Zusammenarbeit einzelner Länder dürfe nicht die gesamteuropäische Kooperation ersetzen. Iohannis rief Deutschland und Frankreich dazu auf, ihre enge Zusammenarbeit für andere EU-Staaten zu öffnen.
Schulabschlüsse sollen anerkannt werden
Der "Vertrag von Aachen" legt fest, dass Deutschland und Frankreich ihre Zusammenarbeit unter anderem in der Europapolitik verstärken und sich für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik einsetzen wollen. Außerdem soll die Integration der beiden Volkswirtschaften vertieft werden. Schulabschlüsse sollen gegenseitig anerkannt werden, außerdem ist geplant, deutsch-französische Studiengänge zu schaffen.
Am 22. Januar 1963 hatten in Paris der damalige Kanzler Konrad Adenauer und Präsident Charles de Gaulle den ersten Vertrag unterzeichnet. In diesem "Élysée-Vertrag" hatten beide Seiten unter anderem regelmäßige Konsultationen zwischen Präsident und Kanzler und auf Ministerebene vereinbart. Die Regierungen sollten sich in allen wichtigen Fragen der Außen-, Europa- und Verteidigungspolitik absprechen. Das wenig später gegründete deutsch-französische Jugendwerk erfüllte seitdem für Millionen Jugendliche die Freundschaft der beiden europäischen Kernländer mit Leben.