EU-Klimagesetz Ein Gesetz, das Fragen offen lässt
Zur Präsentation des neuen EU-Klimagesetzes brachte von der Leyen die Aktivistin Thunberg mit. Die gehört zu den Kritikern des Gesetzes - und sie ist nicht die Einzige.
Es soll der erste Schritt zum großen Wurf in Sachen Klimaschutz sein: Der erste Gesetzesvorschlag der EU-Kommission mit Blick auf den Green Deal, den die Kommission am Vormittag beschlossen hat. Jenes Projekt also, das Kommissionschefin Ursula von der Leyen zu dem zentralen Ziel ihrer Amtszeit gemacht hat: Den Umbau der europäischen Gesellschaft hin zur Klimaneutralität im Jahr 2050.
In dem Vorschlag steht drin, dass die EU tatsächlich bis zur Mitte dieses Jahrhunderts nicht mehr CO2 erzeugt, als sie an anderer Stelle wieder bindet. Bisher war das nur eine Ankündigung, jetzt soll dieses Ziel der Klimaneutralität in ein Gesetz gegossen werden.
Kritiker bemängeln fehlende Zielvorgaben
Kritiker sagen, das gehe im Kern nicht über das bisher bekannte hinaus und reiche deshalb nicht. Der Europaparlamentarier der Grünen, Michael Bloss, vermisst beispielsweise eine CO2-Reduktionsvorgabe bis 2030: "Ich bin schon enttäuscht, weil die Kommission gesagt hat, dass sie eine Klimakommission sein werde. Sie haben immer große Ziele angekündigt. Und jetzt haben sie wieder keine konkreten Ziele vorgegeben, sondern sagen: 'Wir machen's später'", sagt Bloss. "Wir brauchen aber jetzt bald die Ziele, damit dieses Jahr zum Erfolgsjahr wird. Es steht sehr viel auf dem Spiel."
Unter anderem bestehe das Risiko, dass die EU bei der nächsten Weltklimakonferenz im kommenden November in Glasgow international ihre Glaubwürdigkeit einbüße. Auf sehr lange Sicht klimaneutral werden zu wollen, sei schön und gut, ohne verbindliche Schritte aber nichts weiter als eine Absichtserklärung.
Klimaneutralität lautet das Ziel, das EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für das Jahr 2050 festschreiben will. Das bedeutet, dass die EU-Länder dann nicht mehr Kohlendioxid und andere Treibhausgase in die Atmosphäre blasen dürfen als durch kompensierende Maßnahmen gebunden werden.
Ganz ohne den Ausstoß von Treibhausgasen wird es nicht gehen, denn allein beim Atmen erzeugt der Mensch CO2. Entscheidend ist aber, dass die Emissionen netto bei Null liegen, dass also nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden, als auf natürliche Weise abgebaut und gebunden werden können. Diese Aufgaben übernehmen sogenannte natürliche Senken, in Europa vornehmlich Wälder, aber auch Moore und das Meer.
Fast alle Wirtschaftszweige in der EU könnten dank erneuerbarer Energien wie Solar- und Windkraft klimaneutral werden. Die Landwirtschaft ist der einzige große Wirtschaftszweig, in dem es nie ganz ohne Treibhausgase gehen wird, etwa weil Rinder bei ihrem Verdauungsprozess eine Menge Methan freisetzen.
Warten auf wissenschaftliche Auswertung
Ähnlich sieht es Timo Wölken, SPD-Umweltpolitiker im Europaparlament: "Es fehlen ambitionierte Zwischenziele und ein Emissionsbudget. Damit die Mitgliedstaaten nicht erst kurz vor knapp anfangen, CO2-Ausstoß zu reduzieren, sondern damit jetzt beginnen. Denn klar ist: Alles, was wir jetzt nicht machen, wird hinterher richtig schmerzhaft."
Ganz anders sieht es der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese. Für ihn ist es unproblematisch, dass die EU-Kommission das CO2-Reduktionsziel für 2030 erst im Herbst festlegen will - im Gegenteil: Denn bis dahin soll es eine wissenschaftliche Auswertung der Folgekosten etwa durch die Abschaltung von Kohlekraftwerken geben. Erst dann könne man wirklich beurteilen, wie schnell der Weg zur Klimaneutralität beschritten werden solle - und um welchen Preis.
Widerstand von osteuropäischen Ländern
Das langfristige Ziel bleibe in jedem Fall bestehen: "Die Kommission schreibt gesetzlich fest, dass Europa 2050 klimaneutral werden muss. Wir reagieren damit auf die vielen Wünsche vor allem junger Menschen", sagt Liese. Die Analyse der Kommission zeige, dass das mit zusätzlichem Wirtschaftswachstum und zusätzlichen Arbeitsplätzen geschehen könne.
Ob der Vorschlag der Kommission tatsächlich Gesetz wird, hängt allerdings auch noch von der Zustimmung der Mitgliedstaaten ab. Die osteuropäischen EU-Länder sind eher skeptisch - und Polen hat ausdrücklich erklärt, die Klimaneutralität bis 2050 nicht erreichen zu können. Was nun in Brüssel vorgelegt wurde, ist also in jedem Fall nur ein erster Schritt - und selbst der ist noch nicht sicher.