EuGH-Entscheidung Wird Kindergeld für EU-Ausländer eingeschränkt?
EU-Bürger erhalten Kindergeld, auch wenn die Kinder weiterhin im Heimatland leben. Darf die Leistung bei Arbeitslosigkeit eingeschränkt werden? Der Europäische Gerichtshof fällt heute ein Urteil zu diesem Thema.
Wenn Menschen aus Bulgarien oder Rumänien zum Arbeiten nach Deutschland kommen - oder in andere reichere EU-Mitgliedsländer, geht es sehr schnell auch um die Frage nach dem Kindergeld. Heute entscheidet der Europäische Gerichtshof einen Fall aus Irland. Einem Rumänen, der dort seinen Job verlor, wurde das Kindergeld gestrichen. Er klagte dagegen.
Oft stellt sich auch die Frage: Sollte das Kindergeld gekürzt werden, wenn die Kinder im Herkunftsland geblieben sind - wegen der dort deutlich geringeren Lebenshaltungskosten? Österreich hat eine sogenannte Indexierung des Kindergelds beschlossen. Deshalb hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das Land eingeleitet.
EU-Kommission gegen Kindergeldkürzung
Auch die Bundesregierung hatte schon in der vergangenen Legislaturperiode eine Initiative gestartet, die Kindergeldzahlung an die Lebenshaltungskosten des Wohnsitzes der Kinder zu koppeln. Aber die Mehrheit der Mitgliedsstaaten ist dagegen.
Die EU-Kommission hält diese Indexierung für einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. "Wenn jemand in einem anderen Mitgliedsland arbeitet, Steuern und Sozialbeiträge bezahlt, hat er oder sie ein Recht auf dieselben Sozialleistungen wie einheimische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer", sagt EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen.
Die AfD fordert einen Konfrontationskurs: Deutschland müsse es machen wie Österreich und endlich die Kindergeld-Indexierung auf den Weg bringen.
Auch in Deutschland sind die Kindergeldzahlungen ins Ausland umstritten.
Zahlungen ins Ausland überschaubar
Die Kindergeldzahlungen ins Ausland haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Im Vergleich zur Gesamtsumme sind sie aber nicht besonders hoch: Rund 400 Millionen Euro Kindergeld sind im vergangenen Jahr aus Deutschland in andere Länder geflossen - etwa ein Prozent der insgesamt 37 Milliarden Euro Kindergeld, die der deutsche Staat 2018 ausgezahlt hat.
Nur knapp zwei Prozent der Kinder, deren Eltern Kindergeld beziehen, leben nicht in Deutschland. Oft sind ihre Eltern Grenzgänger, zum Beispiel die Polin, die in Frankfurt an der Oder als Pflegerin arbeitet, oder der Belgier, der bei den Aachener Verkehrsbetrieben angestellt ist.
Die Zunahme der Kindergeldzahlungen ins Ausland hängt damit zusammen, dass in den vergangenen Jahren deutlich mehr Menschen aus anderen EU-Ländern nach Deutschland gekommen sind: seit 2010 rund eineinhalb Millionen. Am stärksten ist die Zuwanderung aus den osteuropäischen Mitgliedsstaaten gewachsen, vor allem aus Bulgarien und Rumänien - beschleunigt durch das Inkrafttreten der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit für die beiden Länder vor fünf Jahren.
Wirtschaft begrüßt Rekordzuwanderung
Der deutsche Wirtschaftsboom der vergangenen Jahre ist auch dieser Zuwanderung zu verdanken. Die Unternehmen konnten so viele Stellen besetzen, für die es keine deutschen Bewerberinnen und Bewerber gab. "Die meisten der Zuwanderer arbeiten in versicherungspflichtigen Jobs, zahlen also Steuern und Sozialabgaben", sagt Ehsan Vallizadeh, Migrationsforscher am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg. "Davon, dass Menschen aus Osteuropa massenweise in unser Sozialsystem einwandern, kann keine Rede sein."
In der öffentlichen Diskussion verschwimmen häufig die Grenzen zwischen legaler Zuwanderung und organisiertem Betrug. Es gibt vielfach Fälle, in denen Menschen aus Bulgarien und Rumänien gezielt nach Deutschland geschleust werden. Sie werden zu überteuerten Mieten in heruntergekommenen Wohnungen untergebracht und scheinbeschäftigt, um für sie sogenannte aufstockende Leistungen beantragen zu können. Auch die Kindergeldanträge für die Zugewanderten übernehmen diese Betrügernetzwerke.
Neue Offensive gegen Kindergeldbetrug
Mit einer neuen Offensive sollen die Familienkassen jetzt gegen den Kindergeldbetrug vorgehen. Jede der 14 regionalen Kassen wird zwei zusätzliche Kräfte bekommen, um Betrugsfällen gezielt nachzugehen. Vorbild ist die Familienkasse NRW West. Seit zwei Jahren hakt die Behörde bei möglichem Leistungsmissbrauch gezielt nach - in gemeinsamen Aktionen mit Kommunen, Jobcentern und Steuerfahndung.
Bei Kontrollen in auffällig gewordenen Immobilien stellen sie oft fest, dass die gemeldeten Personen gar nicht mehr dort wohnen, sagt Sören Haack, Leiter der Familienkasse. In einer 80-Quadratmeter-Wohnung in Duisburg beispielsweise waren 25 Personen gemeldet, von den zehn Kindern war bei der unangekündigten Prüfaktion aber keines da.
Die Familienkasse stellt dann die Kindergeldzahlung ein und fordert von den Eltern Nachweise, die aber häufig auch gefälscht werden. Von einem flächendeckenden Betrug könne aber keine Rede sein. Es seien vor allem einzelne Städte betroffen wie Duisburg, Gelsenkirchen oder Dortmund.
Bundesregierung will strengere Regeln
Gegen den organisierten Kindergeldbetrug will die Bundesregierung mit neuen Regeln vorgehen: Kindergeld soll nur dann fließen, wenn die Eltern nachweisen können, dass sie über weitere Einnahmequellen verfügen. Das entsprechende Gesetz kommt demnächst in den Bundestag. Es könnte ein wirksames Mittel sein, um den Betrug einzuschränken, findet Haack von der Familienkasse NRW West.
Von einer möglichen Kürzung des Kindergelds für Kinder, die in Bulgarien oder Rumänien geblieben sind, hält er dagegen nichts: "Dadurch würde man die große Mehrheit der Zuwanderer bestrafen, die hier ehrliche Arbeit leisten." Dennoch: Trotz ihrer überschaubaren Höhe werden die Kindergeldzahlungen nach Osteuropa ein Aufregerthema bleiben.