Kampfpanzer für die Ukraine Deutsche Führungsrolle erwünscht
Kanzler Scholz ist zurückhaltend bei der Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine. Bei Partnern in Ost- und Mitteleuropa stößt das auf Unverständnis. Dabei gibt es Vorschläge, wie es sich bewerkstelligen ließe.
Oben in der Luft vollführen Kampfjets tollkühne Flugmanöver. Unten am Boden durchpflügen Panzer zu Übungszwecken Rasenflächen. Mehr als Hunderttausend Menschen sind gekommen, um sich das anzusehen - bei den sogenannten NATO Days im osttschechischen Ostrava am vergangenen Wochenende.
Dass es zwischen Mensch und Waffe hier kaum Berührungsängste gibt, bekommt auch die Bundeswehr zu spüren: Eltern hieven ihre Kinder auf die ausgestellten deutschen Panzer, Jung und Alt klettern auf und in den Fahrzeugen herum, stellen so viele Fragen, dass die deutschen Soldaten mit dem Erklären kaum hinterherkommen.
Bemerkenswert: Nebeneinander haben die Deutschen hier ein Waffensystem zur Besichtigung aufgestellt, das die Ukraine bereits hat: die Panzerhaubitze 2000. Und eines, das sie bislang nicht bekommt: den so viel diskutierten Kampfpanzer Leopard 2.
"Sie kämpfen um ihr Leben"
Was Deutschland für die Ukraine tut und nicht tut, ist hier in Tschechien ein Riesenthema, bestätigt der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im tschechischen Parlament, Ondřej Benešik. Er sagt im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio auch, man solle der Ukraine alles liefern, was sie brauche: "Offensiv oder defensiv. Denn in dieser Lage sind alle Waffen Verteidigungswaffen. Sie kämpfen um ihr Leben. Und sie kämpfen auch für uns, nicht nur für sich."
Es ist kein Geheimnis, dass Deutschland in Zentral- und Osteuropa Bündnispartner enttäuscht, um nicht zu sagen entfremdet hat: Polen zweifelte nach Kriegsbeginn die Verlässlichkeit Berlins an, weil es sich schwer tat mit Waffenlieferungen. Der lettische Verteidigungsminister Pabriks sprach im Mai davon, das Vertrauen in Deutschland tendiere "gegen Null".
Samtpfötiger Umgang mit Russland
Und die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock konnte sich die eindringlichen Forderungen ihres ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba nach Kampfpanzern bei ihrem Kiew-Besuch vor zwei Wochen nur anhören, ohne eine positive Antwort geben zu können.
"Natürlich ist auch viel Porzellan zerschlagen worden, aber das betrifft nicht die letzten Monate, sondern die letzten Jahre", befand Baerbock kürzlich mit Blick auf Osteuropa im ZDF - und suchte damit die Verantwortung in erster Linie bei den Vorgängern der aktuellen Regierung.
Sie verwies unter anderem auf die Nord-Stream-2-Pipeline. An der hatten Kanzlerin Angela Merkel und die Sozialdemokraten selbst nach der Krim-Annexion stoisch festgehalten - gegen alle Warnungen aus Brüssel, dem Baltikum, Polen und Tschechien. Jedenfalls fühlt man sich in Osteuropa nun bestätigt in den jahrelangen Warnungen, dass ein zu samtpfötiger Umgang mit Russlands Präsident Wladimir Putin in die Irre führe.
Auch Kritik aus der Regierung
Doch auch wenn er einen Politikwechsel in Berlin wahrgenommen habe, erläutert der einflussreiche Sicherheitsexperte Ondřej Benešik, werde auch heute noch Deutschland in seinem Land, Tschechien, als zu zurückhaltend bei der Unterstützung der Ukraine gesehen. "Ja, das sehe ich auch so. Deutschland als das wirtschaftlich stärkste Land in Europa sollte mehr Führungsstärke zeigen", meint der Christdemokrat.
Wer Führung bestellt, bekommt Führung, sagte einst Bundeskanzler Olaf Scholz. Nur mit Blick auf Europa löse er das Versprechen noch nicht ein - diese Kritik hört man selbst aus den Regierungsparteien SPD, Grünen und FDP.
Zusammenschluss für Lieferungen?
Scholz' SPD-Parteifreund Michael Roth nahm eine Idee der Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR) auf, um das zu ändern: 13 europäische Staaten besäßen den Kampfpanzer Leopard 2: "Warum schließen wir uns nicht zusammen? Jedes Land liefert einen bestimmten Bestandteil", schlug Roth vor.
Von einer "dreifachen Win-Situation" sprechen Befürworter: Die Ukraine bekäme die dringend erbetenen Panzer, Deutschland wäre nicht im Alleingang unterwegs und an die europäischen Bündnispartner erginge das Signal, dass Berlin durchaus bereit ist, Tatkraft zu demonstrieren. Widerstand ist in Zentral- und Osteuropa jedenfalls nicht zu erwarten.