Präsident Kaczynski stoppt EU-Reformvertrag Polnische Blockade in der EU-Krise
Polens Präsident Kaczynski ignoriert den Beschluss des EU-Gipfels. Nach dem irischen Nein will er die Ratifizierung des EU-Reformvertrags nicht abschließen, sondern verweigert seine Unterschrift. Parlament und Regierung protestierten.
Von Thomas Rautenberg, ARD-Hörfunkstudio Warschau
Die Bemerkung klingt wie eine Drohung gegenüber der Europäischen Union. Und genau so hat Polens Präsident Lech Kaczynski seine Einschätzung in einem Interview für die Tageszeitung "Dziennik" auch gemeint. Er werde den EU-Reformvertrag nicht ratifizieren, denn nach dem gescheiterten Referendum in Irland sei das Papier "gegenstandslos" geworden, wurde Kaczynski mehr als deutlich.
Parlament drängt auf Ratifizierung
Polens Parlamentschef Bronislaw Komorowski warf dem Nationalkonservativen Kaczynski daraufhin ein gefährliches Spiel mit dem Feuer vor. "Mich beunruhigt die Aussage des Herrn Präsidenten, denn Polen sollte doch zu jenen Ländern gehören, die Irland bei der Überwindung der Krise unterstützen, indem Polen selbst den EU-Reformvertrag möglichst schnell ratifiziert", sagte Komorowski. "Das polnische Parlament hat seine Aufgabe erfüllt und nun muss nur noch der Präsident seine Unterschrift unter ein Vertragswerk setzen, das er selbst ausgehandelt hat."
Präsident Kaczynski aber denkt offenbar gar nicht daran zu unterschreiben. Die Auffassung, dass die Europäische Union ohne den Lissaboner Vertrag nicht existieren könne, bezeichnete der polnische Staatschef als "unseriös". "Die EU funktioniert und sie wird weiter funktionieren", sagte Kaczynski. Der Europa-Skeptiker will Zeit gewinnen. Zum einen hofft er, der Reformvertrag könnte nach dem irischen Nein auch in anderen EU-Ländern ins Trudeln geraten. Zum anderen will er seiner konservativen Wählerschaft beweisen, dass er, der Präsident, polnische Interessen mit aller Härte vertritt.
"Kaczynski sollte ganz schnell unterschreiben"
Marek Safjan, langjähriger Chef des polnischen Verfassungsgerichtes, bezweifelt dagegen, dass Kaczynskis Zeitspiel in Übereinstimmung mit der Verfassung steht. Der Präsident dürfe die Ratifizierung nach dem Beschluss des Parlaments gar nicht mehr ablehnen. "Es sei denn, er hat verfassungsrechtliche Zweifel, wegen denen er sich dann an das Verfassungsgericht wenden müsste. Da er das aber nicht macht, sollte er ganz schnell unterschreiben", forderte Safjan.
In der polnischen Regierung liegen die Nerven blank. Laut dem Chef der Regierungskanzlei, Slawomir Novak, fürchtet Premier Donald Tusk, wieder einmal zwischen alle europäischen Fronten zu geraten. "Lech Kaczynski stellt sich in eine Reihe mit dem tschechischen Präsidenten Klaus, der als der führende Euro-Skeptiker gilt", sagte Novak. "Es wäre schlecht, wenn Polen nun wegen der Auffassung des Präsidenten überall zur Rede gestellt wird."
Auch in der polnischen Öffentlichkeit wird Präsident Kaczynski mit seinem Blockadekurs nicht punkten können. Drei Viertel aller Polen glauben an die Vorteile des EU-Reformvertrages und wollen keine Diskussion mehr über dessen Ratifizierung.