Bundespräsident verschiebt Unterzeichnung EU-Vertrag in Deutschland vorerst gestoppt
Bundespräsident Köhler wird den EU-Vertrag von Lissabon vorläufig nicht unterschreiben. Laut Präsidialamt folgte er damit einer Bitte des Bundesverfassungsgerichts. Dort sind zwei Klagen gegen den Vertrag anhängig. Politiker von CDU und SPD kritisierten die Entscheidung als "falsches Signal".
Bundespräsident Horst Köhler wird die Ratifikationsurkunde zum Vertrag von Lissabon vorerst nicht unterzeichnen. Das Staatsoberhaupt will erst abwarten, wie das Bundesverfassungsgericht mit den vorliegenden Klagen gegen den Vertrag verfährt. Die Partei Die Linke und der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler hatten gegen den EU-Reformvertrag in Karlsruhe geklagt.
Laut Präsidialamt liegen der Entscheidung Köhlers keine inhaltlichen Probleme mit dem Vertrag zugrunde. Mit dem Ergebnis von Köhlers Prüfung des Gesetzes habe die Entscheidung nichts zu tun, hieß es. Bundestag und Bundesrat hatten das Gesetz zur Ratifizierung des Vertrags von Lissabon im Frühjahr mit der nötigen Zweidrittel-Mehrheit verabschiedet. Damit es gültig wird, muss es der Bundespräsident noch unterzeichnen.
Köhler erntet Kritik von CDU und SPD
CDU und SPD reagierten verärgert auf die Entscheidung des Bundespräsidenten. Mit der nun verweigerten Unterschrift gebe Köhler "das falsche Signal", sagte der europapolitische Sprecher der SPD, Axel Schäfer, dem "Handelsblatt". Nach dem Nein der Iren zum Lissabon-Vertrag sei die Entscheidung "Wasser auf die Mühlen der Europaskeptiker". Mit seiner Unterschrift hätte der Bundespräsident zeigen können, dass er sich klar hinter den integrationspolitischen Kurs der Bundesregierung und des Bundestages stelle.
"Ich hätte mir wegen der politischen Signalwirkung eine andere Variante gewünscht", sagte der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag, Gunther Krichbaum von der CDU. Wie der frühere Bundespräsident Roman Herzog beim Maastricht-Vertrag hätte Köhler den Vertrag unterzeichnen und dann das Dokument bis zur Klärung in Karlsruhe verwahren können.
Europapolitiker von FDP und Grünen verteidigten das Vorgehen des Bundespräsidenten dagegen als "eine Selbstverständlichkeit" und "ein normales Verfahren", das in keiner Weise die Klagen gegen den Lissabon-Vertrag in der Sache bestätige.
Zukunft des Lissabon-Vertrags ist ungewiss
Der Vertrag von Lissabon, der wesentliche Teile der gescheiterten EU-Verfassung enthält, kann erst nach der Ratifizierung in allen 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in Kraft treten. Zurzeit ist aber nicht sicher, ob oder wann das passiert, weil ihn die Iren in einer Volksabstimmung abgelehnt haben. Während eines Krisengipfels Ende Juni beschlossen die Staats- und Regierungschefs der EU, den Ratifizierungsprozess erst einmal fortzuführen, um auch den noch fehlenden Ländern die Möglichkeit zu geben, über den Vertrag abzustimmen.
Irland war das einzige Land, in dem die Bürger über den Vertrag abstimmen durften, in allen anderen EU-Ländern entscheiden die Parlamente.
Ähnliche Situation wie 2006
Köhler hatte schon 2006 mit ähnlicher Begründung seine Unterschrift unter den später gescheiterten EU- Verfassungsvertrag verweigert. Auch damals hatten Gauweiler und andere geklagt. Um die Unterschrift Köhlers bis zu einer endgültigen Entscheidung des Gerichts zu verbieten, hatte die Linkspartei auch dieses Mal eine Klage eingereicht. Nach der Entscheidung Köhlers, die Unterschrift zunächst zu verweigern, zog die Linkspartei ihre entsprechende Klage zurück.