Juncker über USA "Verbündete für allezeit"
Was hat US-Präsident Trump davon überzeugt, sich mit der EU zu einigen? Das Wiederholen von Fakten, sagte EU-Kommissionspräsident Juncker dem ARD-Studio Brüssel. Im Interview beschreibt er, wie es zum Kuss der beiden kam, und sagt, was der Deal bedeutet.
ARD: Herr Juncker, Sie haben einen Deal mit US-Präsident Donald Trump erreicht. Danach ist eine neue Freundschaft USA-Europa ausgerufen worden. Sozusagen eine neue Liebesbeziehung. Ist das so?
Jean Claude Juncker: Für mich bedeutet der Deal - das Abkommen - mit Herrn Trump nicht den Beginn einer neuen Freundschaft, sondern die Fortsetzung einer alten Freundschaft. Er hat das zwischenzeitlich anders eingeschätzt. Meine Einschätzung war stets: Die USA und Europäische Union sind nicht nur Verbündete auf Zeit und nicht nur Verbündete, wenn die Umstände passen, sondern Verbündete für allezeit.
Jean-Claude Juncker ist seit dem 1. November 2014 Präsident der EU-Kommission. Davor war er lange Jahre Finanzminister und Regierungschef in Luxemburg. Von 2005 bis 2013 führte er die Eurogruppe. Junckers Amtszeit wird nach Verschiebungen voraussichtlich Anfang Dezember 2019 enden.
ARD: Sie haben Trump sogar geküsst am Ende. Das war das erste Mal, oder?
Juncker: Ich glaube schon, dass es das erste Mal war. Im Gegensatz zu meinem üblichen Benehmen ging die Initiative erstaunlicherweise nicht von mir aus. Ich wusste auch nicht, dass ein Fotograf im Oval Office war. Aber es hat das Ambiente des Moments eigentlich gut zusammengefasst. Herr Trump hat ja das Bild veröffentlicht, nicht ich.
ARD: Es gab ja schon viele Gespräche, Herr Trump hat all diese Argumente, die Sie ihm vorgetragen haben, auch schon mal gehört. Was hat aus Ihrer Sicht jetzt den Unterschied gemacht?
Juncker: Die Beständigkeit, die Konsistenz und die Permanenz des Vortrages immer gleicher Argumente und Zahlen.
Ich habe mehrfach zu verdeutlichen versucht, dass, wenn man Warenhandel, Dienstleistungen, Gewinne der amerikanischen multinationalen Unternehmen in Europa zusammenrechnet, die USA einen Überschuss haben und wir eigentlich im Defizit sind.
Trump hat diese Zahlen immer in Abrede gestellt, bis ich ihm beweisen konnte, dass das die Zahlen der amerikanischen Statistiker sind, und das Gespräch verlief freundschaftlich.
Er war auch sichtbar um eine Einigung bemüht - auch im direkten Gespräch mit seinen Beratern, die da wesentlich zurückhaltender waren als er selbst. Ich halte diese Einigung für wichtig, nicht nur aus atmosphärischen Gründen, sondern auch damit wir jetzt den Einstieg in vertiefte Gespräche finden, die sich nicht nur an der Oberfläche bewegen.
ARD: Können Sie das noch mal ein bisschen beschreiben: Wie ist das denn abgelaufen? Denn ursprünglich sollte es keine Pressekonferenz geben. Wo war der Moment, in dem Sie gedacht haben: "Oh, da geht was"?
Juncker: Wir haben das beide zeitgleich so empfunden, dass etwas geht. Und dann hat er gesagt: “Dann machen wir auch eine gemeinsame Pressekonferenz“. Ansonsten bin ich eher zurückhaltend, wenn es darum geht, Details der Gespräche zu beschreiben. Mir reicht es, dass wir eine Einigung erzielt haben. Und dass der Handelskrieg jetzt nicht auf die Spitze getrieben wird.
ARD: Sie haben sich in der Vergangenheit auch kritisch über Trump, seine Art zu kommunizieren geäußert. Was war ihr Eindruck bei einem längeren, bilateralen Gespräch: Ist er der sprunghafte Mensch, als den man ihn so wahrnimmt?
Juncker: Es steht mir nicht zu, die Bewegungsarten des amerikanischen Präsidenten in zwei Kürzeln zusammenzufassen. Er ist flexibel.
Zunächst keine neuen Zollmaßnahmen
ARD: Wie sicher können wir sein, dass der Deal auch hält?
Juncker: Wir haben abgemacht, solange die Verhandlungen dauern, wird es zu keinen weiteren Zollmaßnahmen kommen. Das betrifft uns, das betrifft die USA. Ich gehe davon aus, dass dieser Deal hält. Es wäre ja unklug und vermessen jetzt zu sagen: 'Ich traue dem amerikanischen Präsidenten nicht.' Wir sind beide mit Vertrauensvorschuss in diese Gesprächsrunde, die anstrengend war, gegangen. Das Ergebnis ist auch so.
ARD: Die EU hat ja zugesagt, mehr Sojabohnen abzunehmen. Kann die EU das überhaupt so zusagen? Denn das muss ja eigentlich der Markt regeln.
Juncker: Wer denkt, dass die Kommission verfügen könnte, wer was von woher importiert, der überschätzt die Möglichkeiten der Kommission.
Aber bei Sojabohnen gibt es keine Zölle, was die Einfuhren aus den USA in Richtung Europa betrifft. Das ist die Sache der Marktteilnehmer, sich miteinander zu verständigen, dass mehr Soja nach Europa ausgeführt werden kann - übrigens nicht genmanipuliertes Soja. Das ist nicht Teil des Abkommens.
So viel scheint sicher: Während der laufenden Verhandlungen gibt es keine weiteren Veränderungen bei den Zöllen.
Flüssiggas-Vereinbarung entspricht EU-Beschluss
ARD: Wie ist es beim Flüssiggas?
Juncker: Was den Export von Flüssiggas in die Europäische Union anbelangt, so reflektiert die Abmachung, die ich mit Donald Trump getroffen habe, genau die Position der Europäischen Union, die wir vor Monaten in Sofia einmal unter uns selbst getroffen hatten. Dort haben wir vereinbart, dass wir den Amerikanern vorschlagen, mehr Flüssiggas nach Europa zu exportieren.
Das verringert unsere Abhängigkeit von Russland und trifft im Übrigen im Kern die Investitionen, die wir in Europa gemacht haben, was die Anlieferungshäfen in Europa anbelangt. Wir haben da 500 Millionen Euro investiert in den beiden vergangenen Jahren. Wir sind dabei, Infrastrukturen für 14 weitere Anlaufstellen so zu gestalten, dass auch angeliefert werden kann. Insofern ist das kein Zugeständnis, sondern die Erinnerung an einen Vorschlag, den die Europäische Union schon vor Monaten gemacht hat.
Kein Nachgeben beim Thema Landwirtschaft
ARD: Jetzt gibt es Rückmeldungen unter anderem aus Frankreich. Da heißt es, die Landwirtschaft müsse rausgehalten werden. Ist das so?
Juncker: Die Landwirtschaft wird da rausgehalten. Woran wäre der Deal fast gescheitert? Daran, dass die Amerikaner massiven Druck gemacht haben, insbesondere der Präsident, dass Landwirtschaftsfragen in den Gesamtdeal hineinpassen und dass wir da Zugeständnisse machen müssen.
Das habe ich strikt abgelehnt, wohlwissend wie die Lage in Europa ist - nicht nur in Frankreich, sondern auch in Belgien, in Irland, teilweise auch in Luxemburg und sonstwo. Im Gegenzug haben wir im Moment darauf verzichtet, den Zugang europäischer Firmen zu den öffentlichen Ausschreibungen in Amerika zu einem Kernpunkt der Verhandlungen zu machen, obwohl uns das sehr besorgt. Das ging also um Agrarthemen und die Teilnahme am amerikanischen Ausschreibungswesen. Die Franzosen sollten sich darüber nicht beklagen.
Am Thema Landwirtschaft wäre das Abkommen beinahe gescheitert.
ARD: Sojabohnen sind ja auch Teil der Landwirtschaft. War Ihnen das in Sofia schon als Option mitgegeben worden?
Juncker: In Sofia haben wir nicht über Sojabohnen geredet. Das war eine Eingebung des Momentes, die gewirkt hat.
ARD: Sie haben gesagt: Wer glaube, die EU-Kommission könne bestimmen, wer Sojabohnen kaufe, überschätze die EU-Kommission. Überschätzt Donald Trump dann die EU-Kommission?
Juncker Nein, aber er versteht sehr gut, dass das eine Sache des Preises ist und eine Sache der Entscheidungsfreudigkeit der Marktteilnehmer, sowohl auf amerikanischer Farmer-Seite als auch auf der europäischen Importseite. Wir werden das nach Lage der Dinge und im Rahmen unserer Möglichkeiten in die richtige Richtung bewegen. Aber wir sind nicht zuständig dafür; wir sind aber auch nicht nicht zuständig.
Das Interview führten Kai Küstner und Markus Preiß, ARD-Studio Brüssel.