Facebook-Datenaffäre EU drängt Zuckerberg zur Aussage
EU-Justizkommissarin Jourova hat Facebook aufgefordert, in der Datenaffäre vollständig mit EU-Ermittlern zusammenzuarbeiten. Sie erwarte auch, dass Konzernchef Zuckerberg persönlich in der EU aussage.
Etwa eine halbe Stunde lang haben sie gestern Abend miteinander telefoniert. EU-Justizkommissarin Vera Jourova und Sheryl Sandberg, die Geschäftsführerin von Facebook. "Ich habe ihr empfohlen, dass Herr Zuckerberg die Einladung des Europäischen Parlaments annehmen soll", sagte die Justizkommissarin im Interview mit dem ARD-Studio Brüssel. "Selbstverständlich haben wir die Debatte im US-Kongress verfolgt, aber ich fand die Fragen ziemlich amerikanisch, wir haben unsere eigenen, europäischen Fragen an ihn", so Jourova.
"Ich denke, die Sache ist es wert"
Facebook müsse dringend Vertrauen in Europa erneuern. Man habe nicht nur ein starkes Interesse, sondern auch das Recht persönlich von Mark Zuckerberg zu hören, was den 2,7 Millionen betroffenen Europäern tatsächlich passiert sei, so Jourova. "Ich denke, die Sache ist es wert, dass er sich ein Flugticket kauft und nach Europa kommt."
Doch wird der Gründer und Vorstandsvorsitzende von Facebook tatsächlich in seinen Privatjet steigen und nach Europa fliegen? Im Telefonat wollte die Geschäftsführerin nicht bestätigten, ob oder wann er kommen wird. Der Justizkommissarin sei es aber ziemlich wichtig gewesen, die Forderung zu stellen.
Beeinflussung beim Brexit?
Nicht nur die EU-Kommission, auch zahlreiche Abgeordnete des Europaparlaments, machen viel öffentlich Druck auf Facebook, um den Konzern zu Zugeständnissen zu bewegen. Brüssel interessiert zum Beispiel sehr, ob der Datenskandal Einfluss auf das Brexit-Referendum hatte. "Ich habe die Facebook-Geschäftsführerin gedrängt, unbedingt mit den britischen Ermittlern zusammenzuarbeiten. Wir erwarten, dass der Konzern dort auf höchster Ebene kooperiert, und diese Aufforderung scheint Frau Sandberg verstanden zu haben", sagte Jourova.
Einen Albtraum nennt Jourova die Vorstellung, dass Bürger von jemanden manipuliert würden, der all ihre privaten Daten kenne. Sie persönlich habe ihr halbes Leben unter der Herrschaft eines totalitären Regimes verbracht, mahnt die tschechische EU-Kommissarin. Freie Meinungsbildung im Vorfeld politischer Wahlen sei ein hohes Gut und dürfe nicht gefährdet werden. Zwar seien Tech-Unternehmen und totalitäre Regime nicht dasselbe, Gemeinsamkeiten gebe es ihrer Ansicht nach aber doch.
Facebook nicht allein
Im Skandal um illegal weiterverkaufte Nutzerdaten an politische Meinungsmacher steht bisher allein Facebook im Mittelpunkt. Dabei hat es sein Geschäftsmodell längst nicht mehr exklusiv: Auch Google, Twitter und andere Konzerne erstellen präzise Profile von Internetnutzern, ihren Gewohnheiten, Interessen und Vorlieben. So können sie Werbetreibenden den Zugang zu exakt zugeschnittenen Zielgruppen anbieten. Die Fehler von Facebook bis hin zu Gesetzesverstößen könnten deshalb auch andere Unternehmen begangen haben, meint die EU-Kommissarin.
Facebook hat inzwischen angekündigt, auf seiner Plattform politische Werbung und deren Absender deutlich zu kennzeichnen. Außerdem werde das Netzwerk Teile der vergleichsweise strikten neuen Europäischen Datenschutzregeln weltweit anwenden. Solche Maßnahmen könnte auch die Konkurrenz ergreifen, erwartet die EU-Kommission. Dafür entscheidend seien die rechtlichen Rahmenbedingungen in den EU-Ländern. Wo diese nicht ausreichen, müsse nachgebessert werden.
Volle Kontrolle über die Verwendung der eigenen Daten - ein großes Versprechen der EU, das durch den Fall Facebook nun erst recht Gewicht bekommen hat.