Boris Johnson Ein Premierminister in Eile
Boris Johnson hat sein Kabinett radikal umgebaut. Bis zum Brexit-Datum bleiben aber nur drei Monate - und es ist nicht sein einziges Versprechen. Heute redet der neue Premier im Unterhaus.
Als Boris Johnson gestern Abend sein Regierungsteam neu zusammenstellte, tat er das in einem derartigen Ausmaß und mit einer solchen Geschwindigkeit, dass Laura Kuensberg, die Innenpolitik-Expertin der BBC, fast schon schockiert feststellte: Einen so großen Umbruch habe es noch nie gegeben, wenn die Partei, die den Premierminister stellt, die gleiche bleibt.
Und tatsächlich konnte man in den Stunden nach dem Amtsantritt von Johnson kaum den Meldungen folgen, wer alles gehen musste: Verteidigung, Handel, Wirtschaft, Bildung, Nordirland, Bau, Kultur, Äußeres. Kaum ein Ministerium blieb verschont.
Boris Johnson hat Geschichte gemacht, mit der Anzahl der Leute, die er rausgeschmissen hat - mehr als die Hälfte des Kabinetts ist raus, entweder, weil sie gegangen sind, oder weil sie rausgedrängt wurden.
"Sommer-Blutbad"
Von "der Nacht der langen Messer" war dann auch bald die Rede, und - angesichts der hochsommerlichen Temperaturen in London - vom "Sommer-Blutbad". Es kann eigentlich nicht überraschen, dass Johnson einen Neuanfang sucht - schließlich hat er die Politik der bisherigen Regierung so hart kritisiert, dass man fast vergessen konnte, dass Johnson derselben Partei angehört wie Theresa May.
Also umgibt er sich jetzt mit Politikern, die seine Politik unterstützen: An besonders prominenter Stelle steht Dominic Raab, der frühere Brexit-Minister, der zurücktrat, weil er Mays Brexit-Deal nicht mittragen wollte. Er wird der neue Außenminister und ersetzt Jeremy Hunt, der Johnson im Kampf um den Posten des Premierministers unterlegen war. Innenministerin Priti Patel, Finanzminister Sajid Javid, Handelsministerin Liz Truss, Vize-Premierminister Michael Gove - alles Brexit-Unterstützer. Und deren Hilfe wird Johnson brauchen - denn er steht unter Druck, hat er Großbritannien doch gestern zugesagt:
Wir werden das Versprechen erfüllen, und am 31. Oktober die EU verlassen, ohne Wenn und Aber. Und wir werden einen neuen Deal aushandeln, einen besseren Deal.
Johnsons Agenda nicht nur auf den Brexit fokussiert
Und nicht nur das - auch innenpolitisch will er aktiv werden: mehr Polizisten, Ausbau von Krankenhäusern, ein klarer Plan für eine Pflegereform, mehr Geld für Schulen, Breitbandausbau und Infrastruktur. All das hat er angekündigt. Ist ja alles wunderbar, sagt dazu die Opposition, fragt aber: Wie soll das klappen?
Das war doch alles nur leere Rhetorik - und das wird jetzt die große Herausforderung für Boris Johnson: die Herausforderung, zu führen und Taten sprechen zu lassen.
Das sagt Keir Stamer von der Labour-Partei, und Jo Swinson von den Liberaldemokraten kritisiert:
Er stellt sich da hin und verkündet, dass alles gut sein wird. Und, dass er jetzt in 99 Tagen das schafft, was er in zwei Jahren als Außenminister nicht geschafft hat. Alles nur leeres Gerede und Prahlerei und kein Inhalt.
Heute Rede im Unterhaus
Wie der Inhalt aussehen könnte, lässt sich vielleicht heute etwas besser abschätzen. Johnson wird im Unterhaus eine Rede halten - gerade noch vor der Parlamentssommerpause, die am Nachmittag beginnt.
Der neue Premier und sein Team, das steht fest, werden keinen Urlaub machen, zu viel ist zu tun. Oder wie es Laura Kuensberg von der BBC sagt: Boris Johnson ist ein Premierminister in Eile.