Parlament aufgelöst Israel steht vor Neuwahlen
Es war ein beispielloser Schritt: Nach der gescheiterten Regierungsbildung hat das israelische Parlament für seine Auflösung gestimmt. Im September kommt es zu Neuwahlen - mit offenem Ausgang.
Es war mitten in der Nacht, als die Abgeordneten namentlich aufgerufen wurden und eine schwerwiegende Entscheidung fällen mussten. Viele Parlamentarier schauten ernüchtert bis schockiert. Dennoch stimmte am Ende eine Mehrheit für die Auflösung der israelischen Knesset, ihrem eigenen Parlament - nur sieben Wochen nach der letzten Wahl.
Neuwahlen, wahrscheinlich im September - so will es auch der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu. Der israelische Präsident hatte ihm bis Mitternacht Zeit gegeben, eine neue Regierung auf den Weg zu bringen. Er schaffte es nicht. Drei mögliche Koalitionspartner konnten sich bis zuletzt nicht einigen: Avigdor Lieberman von der säkularen Partei "Unser Haus Israel" und zwei ultraorthodoxe Parteien. Die weigerten sich, Liebermans Forderung, dass mehr ultraorthodoxe Juden Armeedienst leisten müssen, zu erfüllen.
Gegenseitige Schuldzuweisungen
Für Netanyahu steht fest, wer die Verantwortung für die Neuwahlen trägt: "Lieberman hat seine Wähler verraten. Vom ersten Augenblick an hatte er nicht die geringste Absicht, das zu tun, was er sagte. Er hatte nie vor, sich zu einigen. Er wollte unbedingt diese Regierung stürzen, nur weil er sich ausrechnet, bei den Neuwahlen noch ein paar Stimmen dazu zu gewinnen. Es wird ihm aber nicht gelingen. Er zieht einen ganzen Staat in ein weiteres halbes Jahr der Wahlen."
Was Netanyahu nicht sagte: Seine eigene Partei, der Likud, hatte die Auflösung der Knesset beantragt. Auch Netanyahu stimmte dafür. Soweit hätte es gar nicht kommen müssen. Der israelische Präsident hätte nach neuen Kandidaten suchen können, eine neue Regierung zu bilden. Er hätte einen Parteikollegen von Netanyahu beauftragen können - oder Benny Gantz, den früheren Armeechef, dessen Wahlbündnis Blau-Weiß bei der letzten Wahl genauso viele Mandate errungen hatte wie der Likud.
Israels Premierminister Benjamin Netanyahu war es nicht gelungen, binnen sechs Wochen nach der Wahl eine Regierung zu bilden.
"Ein trauriger Abend für Israel"
Ein Albtraum für Netanyahu. Um zu verhindern, dass jemand anderes die Chance bekommt, eine Regierung zu bilden, werden nun Neuwahlen ausgerufen. Die Opposition ist entsetzt. "Dies ist ein trauriger Abend für den Staat Israel", sagte Gantz. "Das Parlament wurde aufgelöst, damit niemand anderes eine Chance bekommen wird. Das Geld für die Neuwahlen wird nun nicht an die Menschen in den Krankenhäusern gegeben oder in die Bildung gesteckt, sondern an uns verteilt, damit wir einen neuen Wahlgang abhalten."
Bleibt alles beim Alten?
Ob die Neuwahlen Klarheit bringen werden? Unklar. Umfragen sagen ein ähnlich knappes Wahlergebnis voraus wie beim letzten Mal. Netanyahu kämpft um sein politisches Überleben. Ihm droht eine Anklage wegen Korruption. Im Wahlkampf wird er nun erneut vor einer linken Regierung warnen - und fing schon in der Nacht damit an: "Das ist unglaublich! Lieberman gehört zu den Linken. Er gehört zum linken Block."
Da mussten die Journalisten vor Ort spontan lachen. Denn Lieberman, das bestreitet niemand, steht politisch rechts. In vielerlei Hinsicht weit rechts. Israel steht nun weitere Monate ohne eine neue Regierung da. "Das ist die vielleicht schrägste Entscheidung, die es in den letzten Jahren in diesem Staat gegeben hat", sagte Motti Gilad vom Fernsehsender Kan. "Es sind unnötige Neuwahlen."
Unklarheit über Friedensplan
Auch die US-Regierung dürfte nicht erfreut sein. Ausgerechnet in dieser Nacht landete der Schwiegersohn des US-Präsidenten, Jared Kushner, auf dem Flughafen von Tel Aviv. Er wollte auch über den angeblichen Friedensplan von Donald Trump reden. Israelische Journalisten fragen sich nun, ob der überhaupt wie geplant im Juni vorgelegt wird. Denn eine neue israelische Regierung gibt es nicht.