US-Äußerung vor Gipfel in Singapur "Falsch und sehr dumm"
Was ist von dem Treffen zwischen Trump und Kim zu erwarten? Vielleicht sogar die baldige Anerkennung Nordkoreas, sagt der südkoreanische Präsidentenberater Moon im ARD-Interview. Eine US-Äußerung im Vorfeld nannte er "sehr dumm".
tagesschau.de: Professor Moon, die Vorbereitungen für das Treffen in Singapur verliefen nicht eben geradlinig. Es gab die Absage des US-Präsidenten und dann wieder die Absage der Absage. Was passierte in der Zeit dazwischen?
Moon Chung In: Es war wie in der Achterbahn. Die Absage sandte eine Schockwelle durch Nord- und Südkorea, China, Japan. Mein Präsident Moon Jae In war tatsächlich nicht vorab informiert. Tags darauf bat Kim Jong Un ihn dann, sich mit ihm in Panmunjom zu beraten und Washington danach zu unterrichten. Zuvor war vieles schief gelaufen. Es gab zu große Unterschiede bei der gewünschten Agenda, es wurde schlecht kommuniziert. Außerdem war Trump verärgert über die scharfe Kritik aus Nordkorea, nach den Drohungen aus seiner Regierung, das Land werde den Weg Libyens gehen.
Moon Chung In ist außen- und sicherheitspolitischer Berater des südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In. Auch den früheren Präsidenten des Landes, Kim Dae Jung, hatte Moon während dessen sogenannter Sonnenscheinpolitik gegenüber Pjöngjang im Jahr 2000 beraten. Für diese Annäherung bekam Kim später den Friedensnobelpreis.
"Giulianis Bemerkung war falsch und dumm"
tagesschau.de: War das wirklich der Grund der Absage? Solche Wortgefechte hatte es doch zuvor auch gegeben.
Moon: Es diente sicherlich auch als Ausrede. Entscheidender war, dass Nordkorea auf die Anfragen der US-Vorbereitungsteams nicht reagiert hatte und Trump den Eindruck bekam, Nordkorea habe das Interesse verloren. Pjöngjang hatte aber auch deutlich gemacht, dass es Verhandlungen nur in gegenseitigem Respekt führen wolle und nicht darum betteln werde.
tagesschau.de: Genau dies hat aber Trumps Berater, Rudy Giuliani, gerade behauptet. Dass Kim "auf Knien und Händen" um den Gipfel gebeten habe. Und dass dies genau die Position sei, in der man ihn haben müsse.
Moon: Giulianis Bemerkung war falsch und dumm, sehr dumm. Und sie hilft niemandem. Ich habe keine Ahnung, was ihn dazu trieb. Es ist wohl diese alte Attitüde, Amerika ist groß und stark und Nordkorea ist klein, deshalb sollen die sich auch so verhalten. Ich akzeptiere das nicht, es ist leichtsinnig und kann noch immer alles ruinieren.
Südkoreas Präsidentenberater Moon im Interview mit Klaus Scherer
"Wenn er das an die Wand fährt, ist er komplett gescheitert"
tagesschau.de: Ist denn der US-Präsident am Verhandlungstisch wirklich in der stärkeren Position?
Moon: Natürlich. Amerika hat mehr als 8000 Atombomben, Nordkorea nur minimale Abschreckungskapazität. Aber das ist dabei nicht wichtig. Egal wie mächtig der eine ist und wie zerbrechlich der andere: Wer verhandelt, muss den anderen respektieren. Das ist das Wichtigste, um erfolgreich zu sein.
tagesschau.de: Und wenn nicht? Was hat Trump zu verlieren?
Moon: 80 Prozent der Amerikaner unterstützten zuletzt Trumps Nordkorea-Kurs. Wenn er das an die Wand fährt, ist er komplett gescheitert. Er hat Nahost aufgemischt, den Iran-Deal vertan und keine Antworten in Afghanistan. Er will endlich einen Erfolg. Im November sind Midterm-Wahlen.
"Trump will One-Shot-Deal"
tagesschau.de: Er hat aber diese 80 Prozent auch im Glauben bestärkt, dass Kim alle Waffen abgeben werde, ohne dafür etwas zu bekommen. Das dürfte schwer werden.
Moon: Trump wollte in der Tat einen "One-Shot-Deal", also alles auf einmal. Nordkorea wollte dagegen schrittweise vorgehen. Aber es mag sein, dass Kim die Zusicherung macht, die Atombomben und Interkontinentalraketen abzurüsten. Das würde Amerika sicherer machen, auch wenn Inspektionen und Verifikation langwierig wären. Trotzdem, ich halte es für möglich und glaube auch, dass Trump das vor Augen hat, um die Erwartungen zu Hause zu erfüllen.
tagesschau.de: Und was ist Kims Risiko?
Moon: Auch er kann in seinem Land unter Druck geraten, vor allem beim Militär. Auch wenn seine Führung stabil ist und seine Arbeiterpartei alles für ihn rechtfertigen kann. Deshalb hat er mehr Zeit als Trump. Ihm droht kein Machtverlust.
Am Ende könnten normale Beziehungen stehen
tagesschau.de: Aber er braucht Geld, um seine neue Mittelschicht zu bedienen. Was könnte in Singapur der erste Schritt sein?
Moon: Atombomben und Langstreckenraketen. Um die geht es doch. Kim wird dann womöglich sagen, er habe nur 20. Und das US-Team, dass es doch mehr sein müssen. Trotzdem, die Zusage, sie abzurüsten, wäre der Beginn eines großen Prozesses. Für welche Konzession? Die Anerkennung Nordkoreas. Oder das formale Kriegsende. Oder ein Nichtangriffspakt. Am Ende, nach Abrüstung und Verifikation, könnten dann normale Beziehungen stehen.
tagesschau.de: Aber warum sollte Kim sein Atomarsenal aufgeben? Er hat der Welt wieder und wieder erzählt, das sei seine Lebensversicherung. Und warum sollte er gerade einem Verhandlungspartner vertrauen, der ja nicht dafür bekannt ist, dass ihm viel an Verträgen liegt?
Moon: Wenn Trump Zusagen macht und sie ohne gute Gründe wieder bricht, würden Südkorea, China und Russland Nordkorea sicherlich beistehen. Da entstünde viel Druck.
"Das wird die Show von Kim und Trump"
tagesschau.de: Ihr Präsident galt lange als geschickter Moderator zwischen den Kontrahenten. Manche sahen in ihm gar den einzig Erwachsenen der Runde. Welche Rolle spielte er bisher?
Moon: Ich glaube, er war ein sehr effizienter, glaubwürdiger Unterstützer. Er hat zur Verständigung beigetragen und Standpunkte erläutert.
tagesschau.de: Moon Jae In ließ zuletzt streuen, er sei bereit, auch selbst noch nach Singapur zu kommen, um aus dem Zweier- einen Dreiergipfel zu machen und ein erstes Friedensabkommen mit abzuzeichnen, das später dann noch mit Chinas Unterschrift vervollständigt würde. Gilt das noch?
Moon: Ich glaube, die Aussicht darauf schwindet. Er müsste ja von beiden eingeladen werden. Aber jetzt wird das wohl die Show von Kim und Trump.
Das Interview führte Klaus Scherer, ARD-Studio Tokio