Folgen des Klimawandels Indien ächzt unter Hitzewelle
Vertrocknete Äcker, Brände und die Stromversorgung kurz vor dem Kollaps: Indien leidet unter einer massiven Hitzewelle - die schlimmste seit dem Jahr 1910. Und die heiße Jahreszeit hat gerade erst begonnen.
Viel ist nicht los bei Rajbeer. Er wartet auf Fahrgäste, den Kopf mit einem Tuch bedeckt, neben ihm sein dreirädriges Tuk-Tuk. "Ja, heute ist es sehr heiß, ich stehe im Schatten, wenn ein Fahrgast kommt, dann fahre ich los, ansonsten geht es mir gut im Schatten." Eine Tuk-Tuk-Fahrt in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi ist nie ein großes Vergnügen: Lärm, Gestank, aber jetzt kommt auch noch diese gewaltige Hitze dazu. Als Fahrgast fühlt man sich, als sitze man vor einem Riesenfön.
Rajbeer, der Fahrer, hat das den ganzen Tag: "Ich habe eine Wasserflasche im Tuk-Tuk, ich fahre ja sieben bis acht Stunden am Stück, und versuche halt, im Schatten zu stehen und die Sonne zu meiden. Ich trinke Wasser noch und nöcher, aber ich muss ja auch arbeiten und mir mein Essen verdienen."
Ungewöhnlich früh hat die Hitze in diesem Jahr begonnen: Schon der März war so heiß wie seit dem Jahr 1900 nicht mehr. Nordwestwinde transportieren trockene, heiße Luft nach Nordindien und ins westliche Pakistan. Indiens Premier Narendra Modi warnte in einer Videokonferenz mit den Regierungschefs der indischen Bundesstaaten vor der steigenden Brandgefahr:
"Das Thermometer steigt in Indien rapide an, und das passiert normalerweise nicht zu dieser Jahreszeit. In einer solchen Situation steigt auch die Zahl der Brände. In den letzten Tagen sind in vielen Wäldern, historischen Monumenten und Krankenhäusern Brände ausgebrochen."
Brennende Müllkippen und schmelzende Gletscher
Tatsächlich brennt in Indiens Hauptstadt seit Tagen schon eine riesige Müllkippe, eine giftige Wolke zieht über den Norden der Stadt. Löschen ist unmöglich - eben wegen der immensen Hitze. Woanders verdorrt die Ernte auf den Feldern, weil dramatisch wenig Regen gefallen ist. Auch Wasser wird mancherorts knapp.
Brennende Müllkippe in Neu-Delhi - im ganzen Land kommt es infolge der Hitzewelle immer wieder zu Bränden.
Folgen des Klimawandels
Die Hitze belastet auch die Stromnetze. Deshalb gibt es ungewöhnliche viele Stromausfälle, in manchen Bundesstaaten wird stundenweise der Strom kontrolliert abgeschaltet. Vielen Kohlekraftwerken geht die Kohle aus und im Norden Indiens, im Himalaya, schmelzen die Gletscher in atemberaubender Geschwindigkeit.
Es sei zweifellos eine Folge des Klimawandels, die hier zu sehen sei, sagt die Klimaforscherin Mariam Zachariah im Fernsehsender NDTV: "Früher passierte das alle 50 Jahre einmal. Mittlerweile kommt die Hitzewelle alle vier Jahre. Wenn wir nichts dagegen unternehmen, passiert das noch öfter."
Indien bremst beim Klimaschutz
Indiens Premier Modi hatte vergangenes Jahr beim Klimagipfel in Glasgow erklärt, das Land könne Klimaneutralität erst im Jahr 2070 erreichen - und auch nur mit massiver finanzieller Unterstützung der Industriestaaten. Lange noch werde das Land auf seine zahlreichen Kohlekraftwerke angewiesen sein.
Unterdessen gilt erst einmal eine Hitzewarnung für fünf Bundesstaaten. Es gibt Hitzeaktionspläne, die auch Menschen schützen sollen, die draußen arbeiten. Denn es könnte noch heißer werden in den nächsten Tagen. Ein Ende der Hitzewelle ist nicht in Sicht.