Brexit ohne Abkommen Reale Gefahr - oder Drohkulisse?
Der neue britische Außenminister Hunt warnt vor einem Brexit ohne Abkommen und in der Folge vor Anti-Europa-Stimmung auf der Insel. Die Verantwortung, das abzuwenden, schiebt er den EU-Verhandlern zu.
Der britische Außenminister Jeremy Hunt hat vor einem drohenden ungeordneten Brexit gewarnt und die EU dafür verantwortlich gemacht. "Ohne eine wirkliche Änderung der Herangehensweise der EU-Verhandlungsführer" bestehe inzwischen ein "sehr reales Risiko", dass es am Ende ungewollt keinen Deal geben werde, sagte der neue britische Chefdiplomat nach einem Gespräch mit Bundesaußenminister Heiko Maas in Berlin.
Hunt will nicht nachgeben...
Hunt rief die EU-Unterhändler auf, eine konstruktivere Rolle einzunehmen. Es sei ein "wirklich neuer Ansatz" der Europäischen Union in den Verhandlungen notwendig. Ein ungeordneter Brexit könnte die Beziehungen mit der EU nachhaltig schädigen, sagte er weiter. Er habe den Eindruck, dass viele Menschen in der EU denken würden, sie müssten nur lange genug warten und dann würde Großbritannien schon nachgeben. Aber "das wird nicht passieren", kündigte Hunt an.
...und versucht indirekt Druck aufzubauen
Seine wirkliche Sorge sei jedoch, dass bei einem ungeordneten Ausscheiden Großbritanniens aus der EU die Einstellung einer ganzen Generation Briten zu Europa negativ beeinflusst würde. Das wäre "hochgradig schädlich für diese großartige Partnerschaft".
Bei seinem Besuch in Berlin warnte Großbritanniens Außenminister vor einem sogenannten No-Deal-Brexit.
Großbritannien will am 29. März 2019 die EU verlassen. Doch die Brexit-Verhandlungen stocken in entscheidenden Punkten - vor allem in der irischen Grenzfrage. Brüssel wirft London Rosinenpickerei vor. Großbritannien möchte nach dem Brexit eine Freihandelszone für Waren und Agrarprodukte, aber nicht für Dienstleistungen. Auch bei der Frage, wie die Grenze zwischen dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland und dem EU-Mitglied Irland reguliert werden soll, gibt es keine Einigung. Ohne Abkommen scheidet Großbritannien ungeregelt aus der EU aus. Dann könnten schon im März 2019 die Zollschranken wieder hochgehen und Grenzkontrollen eingeführt werden.
Maas will No-Deal-Brexit vermeiden
Maas betonte, dass die Bundesregierung das vermeiden wolle. "Wir wollen ein Abkommen. Wir wissen, dass alle aufeinander zugehen müssen für ein solches Abkommen." Er räumte ein, dass bei dem Thema der irischen Grenze weitere Verhandlungen nötig seien. Maas wollte sich nicht zur Drohung des britischen Brexit-Ministers Dominic Raab äußern, demzufolge die britische Regierung möglicherweise nicht die 39 Milliarden Pfund (43,7 Milliarden Euro) für die Trennung von der EU zahlen werde, wenn es kein Handelsabkommen mit der EU gebe.
Hunt ist Nachfolger des Brexit-Hardliners Boris Johnson, der vor zwei Wochen aus Unzufriedenheit mit der Politik von Premierministerin Theresa May zurückgetreten war. Der 51-jährige Hunt warb vor dem Brexit-Referendum 2016 noch für den Verbleib Großbritanniens in der EU.