Umsetzung des Flüchtlingspakts stockt Erstmals mehr als 50.000 Flüchtlinge in Griechenland
Trotz drohender Zwangsabschiebung kommen weiterhin viele Flüchtlinge nach Griechenland. Mehr als 50.000 Menschen halten sich inzwischen im Land auf, davon 13.000 im Lager Idomeni - ein neuer Rekordwert. Die Regierung in Athen wartet nun auf die versprochenen 4000 Asylexperten aus anderen EU-Ländern. Erste türkische Beamte kamen an.
Der Zustrom von Flüchtlingen nach Griechenland hält auch nach Inkrafttreten des Flüchtlingspakts zwischen der EU und der Türkei an. In der Folge stieg die Zahl der Flüchtlinge, die sich in Griechenland aufhalten, erstmals über die Marke von 50.000: Der Krisenstab bezifferte ihre Zahl auf 50.411. Allein im provisorischen Lager Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze sollen sich nach neuesten Angaben des Krisenstabes rund 13.250 Menschen aufhalten.
Insgesamt setzten zwischen Sonntagmorgen und Montagmorgen 8 Uhr Ortszeit 1662 Migranten von der türkischen Küste auf griechische Ägäis-Inseln über, wie der griechische Stab für die Flüchtlingskrise weiter mitteilte. Zum Vergleich: Am Vortag um 8 Uhr waren 875 neue Flüchtlinge aus der Türkei gezählt worden, am Samstag 1498.
Rund 100 Menschen überlebten die Überfahrt dank der griechischen Küstenwache: Die Geretteten wurden nach Lesbos gebracht, wo sie mit Bussen in die Erstaufnahme-Einrichtung Moria gefahren wurden.
Zwangsabschiebung in die Türkei
Seit Sonntag sind die Vereinbarungen zum Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei in Kraft. Der Pakt sieht vor, dass alle Flüchtlinge, die seit Sonntag illegal von der Türkei nach Griechenland übersetzten, zwangsweise in die Türkei zurückgebracht werden können - und zwar ab dem 4. April. Vorher haben die Flüchtlinge jedoch das Recht auf eine Asyl-Einzelfallprüfung im EU-Land Griechenland. Nur wer nachweisen kann, dass er in der Türkei verfolgt wird, darf bleiben. Als Gegenleistung sagte die EU zu, bis zu 72.000 syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aus der Türkei auf legalem Wege aufzunehmen.
Warten auf Asyl-Entscheider
Damit der Pakt funktioniert, braucht Griechenland dringend Unterstützung bei der Bearbeitung der Asylentscheidungen. Die EU bot an, dafür 4000 Fachleute zu entsenden, darunter Richter, Dolmetscher und Sicherheitspersonal. Deutschland und Frankreich wollen insgesamt bis zu 600 Experten nach Griechenland schicken und hoffen, dass andere EU-Länder ihrem Beispiel folgen. Ob der Zeitplan eingehalten werden kann, ist im Moment fraglich.
Die Bundesregierung bat um Geduld. Es brauche "ein paar Tage", bis die zugesagten Sicherheitskräfte, Dolmetscher und Asylexperten die griechischen Behörden bei der Rückführung der Flüchtlinge in die Türkei unterstützen könnten, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Das notwendige Personal werde jetzt so rasch wie möglich nach Griechenland in Bewegung gesetzt.
Offenbar kamen inzwischen erste türkische Verbindungsoffiziere auf der Insel Lesbos an. Auch auf der Ägäis-Insel Chios seien einige türkische Offiziere der Küstenwache eingetroffen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen der griechischen Küstenwache. Der Einsatz von türkischen Beamten vor Ort ist ein wesentlicher Bestandteil des vereinbarten Rückführungsprogramms. Diese Beamten sollten sozusagen in letzter Instanz entscheiden, welche Migranten, die kein Asyl in Griechenland erhielten, zurück in die Türkei gebracht würden, sagte der griechische Offizier weiter.
Die Bundesregierung sieht nach dem EU-Türkei-Gipfel keine Kapazitätsengpässe beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durch die der Regierung in Athen zugesagten Hilfen. Wie ein Sprecher des Innenministeriums erklärte, werde es zu keinen Verfahrensverzögerungen innerhalb Deutschlands kommen, da beim BAMF in den vergangenen Monaten viel erreicht worden sei, vor allem bei der Personalgewinnung. Die Entscheidung über die Gewährung von Asyl könne aber einzig und allein ein griechischer Beamter treffen. Die ausländischen Experten könnten nur beraten.
Außerdem gehe die Bundesregierung davon aus, dass sich durch das EU-Türkei-Abkommen die Zahl der ankommenden Flüchtlinge in Deutschland deutlich reduziere, und damit das BAMF erheblich entlastet werde. Dadurch würden Kapazitäten für den Einsatz in Griechenland frei. Konkrete Zahlen und Einsatzpläne für die Polizisten und Asylentscheider gebe es noch nicht, da die Europäische Grenzschutzagentur Frontex und das Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) gerade dabei seien, ihre Anforderungen zu formulieren.
Von Peter Dalheimer, ARD-Hauptstadtstudio