Minderjährige Migranten EU-Kommission ermahnt Mitgliedstaaten
In Deutschland sorgt die Frage, ob unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufgenommen werden sollten, für hitzige Diskussionen. Nun appelliert die EU-Kommission - erneut - an die EU-Staaten, sich solidarisch zu zeigen.
Die EU-Kommission fordert Deutschland und andere EU-Staaten auf, unbegleitete minderjährige Migranten aus den überfüllten griechischen Lagern aufzunehmen. "Die Kommission ist besorgt über die schwierige Lage vor Ort", sagte eine Sprecherin der von Ursula von der Leyen geführten Behörde der Nachrichtenagentur DPA. Man habe die anderen Mitgliedstaaten bereits mehrfach aufgefordert, weiter auf freiwilliger Basis unbegleitete Minderjährige umzusiedeln. Bislang sei die Resonanz allerdings verhalten gewesen.
Ende November befanden sich nach Angaben des zuständigen National Centre for Social Solidarity rund 5300 unbegleitete Minderjährige in Griechenland. Für sie stünden jedoch nur 2216 geeignete Unterbringungsplätze zur Verfügung. Somit fehlten derzeit also rund 3000 Plätze.
Debatte in Deutschland
Zuletzt hatte der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck die Debatte in Deutschland neu entfacht, indem er sich dafür stark machte, bis zu 4000 Kinder von den griechischen Inseln in die Bundesrepublik zu holen. Bundesinnenminister Horst Seehofer warf den Grünen daraufhin vor, mit dem Vorstoß unredliche Politik zu betreiben.
Kritik an Habecks Vorschlag kam auch aus der FDP. Generalsekretärin Linda Teuteberg sagte der "Welt": "Eine PR-Aktion kurz vor Weihnachten hilft nicht, das Fluchtproblem verantwortungsvoll zu lösen."
In der SPD führte die Frage der Aufnahme von minderjährigen Flüchtlingen zu einer Auseinandersetzung zwischen Niedersachsens Innenminister Borius Pistorius und der Parteivorsitzenden Saskia Esken. Pistorius, der sich für eine begrenzte Aufnahme ausgesprochen hatte, zeigte sich von seiner Parteikollegin enttäuscht, die zu dem Thema nur vage Stellung bezogen hatte. "Bis vor kurzem hat die neue Parteivorsitzende noch den Eindruck erweckt, die Flüchtlingspolitik der Großen Koalition sei zu restriktiv. Deshalb verstehe ich nicht, dass sie sich jetzt so zurückhaltend äußert, wenn es um die Aufnahme einiger hundert Minderjähriger geht, denen dringend geholfen werden muss", sagte er dem "Tagesspiegel".
EU-Zahlen widersprechen Habeck
Nach jüngsten Angaben der EU-Kommission waren auf den von Habeck angesprochenen griechischen "Hotspot-Inseln" Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos zuletzt allerdings nur 1922 unbegleitete Minderjährige registriert. In ganz Griechenland waren es Ende November 5276 - davon sind nur neun Prozent jünger als 14 Jahre und damit im Sinne des Jugendschutzgesetzes Kinder. Von der Gesamtzahl dieser Minderjährigen sind 92 Prozent männlich.
Bundesregierung verweist auf EU
Auf Habecks Vorstoß entgegnete die Bundesregierung, dass vorerst keine minderjährigen Flüchtlinge im Alleingang nach Deutschland geholt werden sollen. "Wir suchen für die Zukunft nach einer europäischen Lösung", erklärte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin. "Deutschland kann das nicht im Alleingang."
Dass es zu einer schnellen europäischen Lösung kommt, gilt unterdessen als unwahrscheinlich. Die EU-Staaten ringen bereits seit Jahren vergeblich um einen gemeinsamen Kurs in der Flüchtlingspolitik. So gibt es wegen des Widerstands von Ländern wie Polen und Ungarn bis heute kein System zur gerechten Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU.