Warnung der WHO Krebs - im Lockdown oft unentdeckt
Weil sie eine Corona-Infektion fürchten, verzichten viele Menschen auf notwendige Arztbesuche. Die Weltgesundheitsorganisation schlägt jetzt Alarm: Vor allem Krebserkrankungen blieben im Lockdown zu oft unentdeckt und unbehandelt.
Die Corona-Pandemie schlägt sich nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dramatisch auf die Diagnose und Behandlung von Krebserkrankungen in Europa nieder. "Die Auswirkungen der Pandemie auf Krebs in der Region sind nichts weniger als katastrophal", sagte der Direktor des WHO-Büros für Europa, Hans Kluge, am heutigen Weltkrebstag.
Während des Kampfes gegen Covid-19 sei es bislang sehr herausfordernd gewesen, den Fortbestand der Krebsbehandlung zu gewährleisten, so Kluge. "Durch die Pandemie braut sich eine Krise nichtübertragbarer Krankheiten, einschließlich Krebs, zusammen."
Deutlich weniger Krebsdiagnosen im Lockdown
Im vergangenen Jahr wurde bei 2,7 Millionen Menschen in der EU Krebs entdeckt. 1,3 Millionen Patienten starben an der in vielen Varianten auftretenden Krankheit. In der gesamten europäischen Region, zu der die WHO mehr als 50 Länder zählt, gibt es nach Angaben der Organisation in einem normalen Jahr fast 2,2 Millionen Krebstote - "eine viel zu hohe Zahl, wenn wir wissen, dass diese Todesfälle hätten verhindert werden können", so Kluge.
Zu Beginn der Corona-Pandemie habe die WHO festgestellt, dass die Krebsdienste in jedem dritten Land der europäischen Region teils oder vollständig gestört worden seien. In den Niederlanden und Belgien sei die Zahl der diagnostizierten Krebserkrankungen während des ersten Lockdowns um 30 bis 40 Prozent gefallen, sagte Kluge, im nationalen Onkologiezentrum von Kirgistan im April sogar um 90 Prozent.
Bund will Krebsforschung stärker fördern
Unterdessen kündigte die Bundesregierung an, die Bekämpfung von Krebs weiter stärken zu wollen. "Bei allem Schrecken und allen Gefahren durch die Corona-Pandemie dürfen wir nicht vergessen, dass wir auch beim Thema Krebsforschung weiterkommen müssen", sagte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek. Jeden Tag bekämen rund tausend Menschen in Deutschland die Diagnose Krebs. "Wir werden die Forschung weiter stärken und auf innovative Krebsmedizin setzen", sagte die CDU-Politikerin.
Karliczek appellierte zugleich an die Menschen in Deutschland, die Termine für die Früherkennung, zur Nachsorge nach einer Erkrankung und zu Abklärungsgesprächen trotz Corona unbedingt wahrzunehmen. Es gebe in Praxen und Kliniken Sicherheitskonzepte.
Schwesig ermutigt Patienten zur Vor- und Nachsorge
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, die 2019 an Brustkrebs erkrankte, zeigte Verständnis für die Sorgen der Betroffenen. Der Druck auf Risikopatienten sei während der Corona-Pandemie besonders groß, das habe sie selbst erfahren, sagte die SPD-Politikerin dem ZDF. Zugleich wies sie auf die Notwendigkeit von Vorsorgeuntersuchungen hin. Krebspatienten müssten sich zwar stärker isolieren, dennoch sollten sie wegen der Pandemie nicht den Weg zum Arzt scheuen. "Wenn man nicht zur Vorsorge oder Nachsorge geht, hat der Krebs eine größere Chance."
Schwesig selbst gilt nach abgeschlossener Krebstherapie seit Mai 2020 als vollständig geheilt. Es habe sich "wie ein Befreiungsschlag" angefühlt, als sie öffentlich gesagt habe, sie sei an Krebs erkrankt und habe die Hoffnung, wieder gesund zu werden. "Es ist ja nicht so, dass man die Diagnose kriegt und gleich weiß, wie es weitergeht." Die Wochen der Unsicherheit hätten sie sehr belastet. Dennoch sei es ganz wichtig, dass jeder die Freiheit habe, seinen eigenen Weg zu gehen, wenn er die Diagnose Krebs erhält.