Gipfel in Tirana EU hilft Westbalkan mit sechs Milliarden
Die EU hat bei einem Gipfeltreffen mit den Westbalkan-Staaten sechs Milliarden Euro an Finanzhilfen versprochen und will damit die Beitrittsperspektive der sechs Staaten beschleunigen. Bundeskanzler Scholz forderte mehr regionale Kooperation.
Die EU-Kommission stellt den sechs Westbalkan-Staaten sechs Milliarden Euro zur Verfügung, um den Reformprozess anzukurbeln und den Beitritt zur Union zu beschleunigen.
Mit zwei Milliarden Euro an Zuschüssen und vier Milliarden an Krediten solle das Bruttoinlandsprodukt der sechs Staaten sich noch in diesem Jahrzehnt verdoppeln, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Tirana nach dem Abschluss des Gipfels im "Berlin Prozess".
Scholz wirbt für beschleunigten Beitrittsprozess
Kanzler Olaf Scholz und Albaniens Ministerpräsident Edi Rama drängten auf einen schnellen Beitrittsprozess. "Die Länder hätten der EU längst beitreten sollen", sagte Scholz mit Blick darauf, dass man Albanien, Montenegro, Serbien, Kosovo, Bosnien-Herzegowina und Nordmazedonien vor 20 Jahren eine EU-Beitrittsperspektive gegeben habe. "Die Zukunft des Westbalkans liegt in der EU", sagte der Kanzler.
EU-Ratspräsident Charles Michel erklärte, die EU und die Westbalkan-Staaten müssten 2030 aufnahme- und beitrittsbereit sein. Die Kommissionspräsidentin betonte dagegen, dass der Beitritt von tatsächlichen Reformen abhängig sei.
Scholz: "Keinerlei Fortschritte" bei Reformen in Bosnien
Scholz und von der Leyen äußerten sich zurückhaltend zu Forderungen, dass Bosnien von der EU im Dezember grünes Licht für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen erhalten soll. Es habe keinerlei Fortschritte bei Reformen gegeben, kritisierte der Kanzler.
Von der Leyen kündigte an, dass die EU-Kommission am 8. November eine Bewertung aller EU-Beitrittskandidaten vorlegen werde. Danach müssen die EU-Staats- und Regierungschefs im Dezember entscheiden.
Vor allem der Führer der serbischen Teilrepublik wird für die Blockade in Bosnien verantwortlich gemacht. Scholz und von der Leyen drängten Serbien und Kosovo, ihre Spannungen beizulegen. "Beide Seiten müssen deeskalieren", sagte Scholz mit Blick auf einen Überfall einer serbischen Gruppe auf eine Polizeistation in Nordkosovo. Beide Länder hätten eine EU-Perspektive.
Scholz rief die Länder des westlichen Balkans auf, sich selbst fit für einen EU-Beitritt zu machen. Dafür müssten sie auch untereinander enger zusammenarbeiten. "Es führt kein Weg vorbei an regionalem Zusammenhalt und der dauerhaften Lösung von Konflikten, die schon viel zu lange schwelen."
Von der Leyen: Zugang zum Binnenmarkt schrittweise lockern
Der Streit zwischen Serbien und dem Kosovo überschattete das erste Gipfeltreffen des "Berlin Prozesses" außerhalb der EU und in der Region. Die sechs Länder der Region einigten sich auf die weitere gegenseitige Anerkennung von Berufsabschlüssen.
Von der Leyen sagte, die EU werde den Zugang zu dem EU-Binnenmarkt schrittweise lockern und Finanzhilfen im Gegenzug zu absolvierten Reformschritten erhöhen. Albaniens Ministerpräsident Rama lobte das Sechs-Milliarden-Paket als ganz neuen Schritt. Die Westbalkan-Länder würden nun schon auf dem Weg in die EU und nicht erst nach dem Beitritt für Reformen belohnt.
Im vergangenen Jahr hatten die Westbalkan-Staaten drei Mobilitätsabkommen unterzeichnet, die mittlerweile vier der sechs Länder ratifiziert haben. Nun sei es möglich, nur mit einem Personalausweis von einem Land ins andere zu reisen oder Jobangebote in einem Nachbarland anzunehmen, lobte Scholz.
Scholz: Fortschritte in Nordmazedonien belohnen
Ein Schwerpunkt des "Berlin Prozesses" in diesem Jahr war, wie die Energieversorgung in der Region dekarbonisiert und auf Erneuerbare Energien umgestellt werden kann. Deutschland will dies mit 1,5 Milliarden Euro fördern. Die Bundesregierung werde zudem 73 Millionen Euro für ein neues Programm zu Erneuerbaren Energien in Albanien bereitstellen, so Scholz.
Scholz pochte darauf, dass die EU auch die Fortschritte in Nordmazedonien belohnen müsse. Bisher verhindert der EU-Staat Bulgarien mit dem Pochen auf eine Verfassungsänderung in dem Westbalkan-Staat eine weitere Annäherung. In Nordmazedonien wiederum scheiterte die von Ministerpräsident Dimitar Kovacevski vorgelegte Verfassungsreform bisher an der konservativen Opposition.