Wasserstoff in Spanien Platzt der Traum vom grünen Riesen?
Hohe Temperaturen, kaum Regen: Spanien hat einen Rekordfrühling erlebt. Jetzt wird diskutiert, ob es überhaupt genug Wasser für die ehrgeizigen Wasserstoffpläne gibt.
Es ist sieben Uhr morgens auf dem Hof von Palmas Verkehrsgesellschaft. Dutzende Busse schwärmen aus in die mallorquinische Hauptstadt. Fünf davon fahren mit grünem Wasserstoff. Noch kommt der vom Festland.
Ab diesem Sommer soll er aber direkt auf der Insel produziert werden. Das Werk dafür in der Inselmitte ist startklar, und Mallorca ist jetzt ein Ort, an dem man alle Chancen und Probleme der im Oktober 2020 beschlossenen "Hydrogen Roadmap" der spanischen Regierung besichtigen kann.
Emissionen: eine Wasserpfütze
Auf dem Weg in die Stadt schwärmt ein Fahrer von den neuen Wasserstoffbussen. "Geschmeidig" ließen die sich fahren. Der dazugehörige Sound: ein leises Surren - statt des üblichen Diesel-Blubberns. An Emissionen hinterlässt der Bus nicht mehr als kleine Wasserpfützen auf dem Asphalt.
Allein: Nicht der Markt, sondern politischer Wille ist derzeit Antreiber dieses Busses. Rund 35 Kilogramm Wasserstoff verbraucht er am Tag. Das kostet die Betreiber etwa 350 Euro, für Diesel würden sie nur die Hälfte zahlen. Üppige Subventionen - auch von der EU - machen den Betrieb derzeit möglich.
Der Wasserstoff, den dieser Bus aus Mallorca tankt, ist vorerst hoch subventioniert. Der deutlich billigere Diesel soll irgendwann der Vergangenheit angehören.
Wette auf Zukunft
Wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt plant derweil Álvaro Sánchez López die Energiewende in einem Strandhotel. Der Mann soll Klimaschutz für die Iberostar-Gruppe managen. In einem Hotel an der Playa de Palma fängt er an. Ab März soll mit grünem Wasserstoff von der Insel geheizt und Strom erzeugt werden.
Wirtschaftlich sei auch das derzeit nicht. Aber: "Das ist eine Wette auf die Zukunft. Eine Strategie. Wir glauben, Tourismus ist bald entweder nachhaltig - oder es wird keinen Tourismus mehr geben."
Auch der Hafen soll künftig Wasserstoff vom mallorquinischen Werk bekommen. Aber alle bisherigen Abnehmer lasten das Werk nur zu gut 25 Prozent aus. "Die größte Herausforderung ist, erst einmal eine Nachfrage zu schaffen. Wir haben die Herstellung, aber nun brauchen wir Abnehmer. Auf Mallorca gibt es noch nicht viele", sagt Enrique Iriarte Madurga, Projektdirektor beim Betreiber Acciona.
Henne-Ei-Problem
Es ist der Kampf gegen das Henne-Ei-Problem: Ohne Wasserstoff keine Nachfrage. Aber ohne steigende Nachfrage auch kein Wasserstoff, weil die Preise hoch bleiben und sich ein wirtschaftlicher Betrieb nicht lohnt. Mallorca erlebt im Kleinen, was weltweit gilt.
Und doch: Von Förderprogrammen unterstützt, möchte Spanien zum "Grünen Riesen" werden, zum Exporteur von grünem Wasserstoff. Die Startbedingungen sind gut. Sonne und Wind liefern viel Strom, um in dem energieintensiven Prozess Sauerstoff und Wasserstoff aufzuspalten. Diskussionen gibt es nun jedoch um den Grundstoff dafür: Wasser!
Einschränkungen beim Wasser
Auf Mallorca erinnert Margalida Ramis von der Umweltschutzgruppe GOB an Einschränkungen beim Wasserverbrauch im vergangenen Jahr - Schwimmbäder durften nicht mehr befüllt, Gärten nicht bewässert werden. "In dieser Situation einen solchen Wasserverbraucher hinzuzubekommen - das ist sehr kurzsichtig", kritisiert sie.
Ziel müsse vielmehr sein, Energie zu sparen, statt zu ersetzen. Die Anlage auf Mallorca braucht etwa 20 Liter Wasser, um ein Kilogramm Wasserstoff herzustellen. Zum Start sollen 300 Tonnen im Jahr produziert werden.
Trockenheit und Hitze
Der Energie-Experte Ignacio Urbasos vom spanischen Institut El Cano sieht keine Produktionsprobleme an den Küsten, wo Wasser auch aus Entsalzungsanlagen kommen kann.
Aber er sieht sie durchaus im Landesinneren, wo es zwar die die billigste erneuerbare Energie gibt, aber keinen Zugang zu Meerwasser und auch nur relativ begrenzten Zugang zu potenziell nutzbarem Abwasser. "Im Binnenland wird es also wahrscheinlich einen direkten Konflikt um Wasser geben", so der Wissenschaftler.
Denn sehr viel Wasser verbrauche hier bereits eine andere wichtige spanische Branche: die Landwirtschaft. Und die vergangenen Monate gehörten zu den trockensten in der spanischen Geschichte.
Blick auf den Donana Nationalpark in Andalusien, im Süden Spaniens. Gezeichnet von einer Dürre, die das Land bereits im Frühjahr verzeichnet.
Internationale Kooperation in einer Zeit der Instabilität
Dennoch gebe es genug Wasser in Spanien - auch für die Produktion von hunderttausenden Tonnen Wasserstoff, meint der Chef des nationalen Wasserstoffzentrums, José Maria Olavarrieta.
Probleme sieht er eher in anderen Bereichen. Projekte, bei denen viele Staaten zusammenarbeiten, sagt er, bräuchten "eine Menge Geld, eine Menge Personal - und eine Menge geopolitischer Stabilität, die wir im Moment nicht haben".
Gewünscht: pures Wasser
Wie herausfordernd es ist, Wasserstoff auch nur lokal an den Start zu bringen, zeigt das Beispiel Mallorca. Das Brunnenwasser zur Herstellung des Wasserstoffes ist hier sehr mineralhaltig. Es wird aufwendig aufbereitet. Für die verbleibenden Reste muss mittelfristig noch ein Becken ausgehoben werden.
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