EU-Parlament Von der Leyen bleibt EU-Kommissionspräsidentin
Am Ende hat es doch relativ sicher gereicht: Von der Leyen ist vom Europaparlament für eine zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin bestätigt worden. Sie sprach von einem "starken Signal des Vertrauens".
Ursula von der Leyen bleibt Präsidentin der EU-Kommission. Die Mehrheit der Abgeordneten im Europäischen Parlament hat für die CDU-Politikerin gestimmt. Damit wurde offiziell ihre Nominierung durch die Staats- und Regierungschef der EU-Staaten bestätigt.
401 Abgeordnete stimmten für von der Leyen, 284 gegen sie, außerdem gab es 15 Enthaltungen. Sie brauchte mindestens 360 Stimmen. Ihr Ergebnis fiel damit besser aus als bei ihrer ersten Wahl vor fünf Jahren, als sie mit einer knappen Mehrheit von neun Abgeordneten ins Amt gewählt wurde.
"Starkes Signal des Vertrauens"
"Das ist ein starkes Signal des Vertrauens und ich denke, es ist die ganze Anerkennung für die harte Arbeit, die wir in den letzten fünf Jahren, im letzten Mandat, gemeinsam geleistet haben", sagte von der Leyen nach der Abstimmung. Dies sei ein sehr emotionaler Moment für sie. "Wir haben die unruhigsten Gewässer durchschifft, die unsere Union je erlebt hat, und wir haben den Kurs auf unsere langfristigen europäischen Ziele beibehalten."
Die CDU-Politikerin will nun in den kommenden Wochen die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder bitten, ihre Kandidaten für die Kommissarinnen und Kommissare vorzuschlagen. Sie werde ein ausgeglichenes Verhältnis von Männern und Frauen anstreben, erklärte sie.
Wie stimmten Melonis Fratelli d'Italia?
Die volle Unterstützung ihrer Europäischen Volkspartei (EVP) hat die 65-Jährige allerdings nicht, die französischen Republikaner etwa sprachen sich gegen sie aus. Die Fraktionen von Europäischer Volkspartei, Sozialdemokraten und Liberalen hatten sich bereits auf eine Wiederwahl verständigt. Kurzfristig hatten auch die Grünen Unterstützung signalisiert.
Unklar ist, wie viele Abgeordnete von rechten Parteien für von der Leyen stimmten. Vor der Wahl war gemutmaßt worden, dass sie auch um Stimmen von Abgeordneten der Fratelli d'Italia von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni warb. Als mögliche Gegenleistung könnte von der Leyen etwa unter anderem angeboten haben, dem künftigen italienischen Vertreter in der EU-Kommission einen wichtigen Aufgabenbereich zu geben. Nach der Wahl hieß es von Seiten der Fratelli d'Italia, dass die Abgeordneten - aufgrund der Unterstützung der Grünen - gegen von der Leyen gestimmt hätten.
Keine Unterstützung von der FDP
Die Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann teilte mit, dass die FDP die Wiederwahl von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nicht unterstützt habe. "Auf Basis von Sachfragen und leider ausbleibender Antworten auf diese."
Trotzdem seien die FDP-Abgeordneten immer bereit, Teil einer konstruktiven Mehrheit zu sein. "Ich wünsche von der Leyen für ihre zweite Amtszeit eine glückliche Hand", schrieb sie weiter. Sie verwies darauf, dass von der Leyen für ihre zweite Amtszeit neue Schulden auf EU-Ebene nicht ausgeschlossen habe. Über diese bestimmen allerdings die 27 EU-Mitgliedsregierungen.
Politische Leitlinien vorgestellt
Zuvor hatte von der Leyen den Abgeordneten ihre politischen Leitlinien für die kommenden fünf Jahre vorgestellt, mit denen sie unter anderem eine Kursänderung in der Verkehrs- und Klimapolitik ankündigte. Das bereits beschlossene EU-Verbot von neuen Verbrenner-Autos ab 2035 will sich durch Ausnahmen für sogenannte E-Fuels aufweichen.
Die CDU-Politikerin versprach auch, stärker illegale Migration zu bekämpfen. "Sicherere Grenzen werden uns auch dabei helfen, die Migration strukturierter und gerechter zu steuern", sagte sie. Außerdem warb sie für einen "Europäischen Schutzschild für die Demokratie".
Kallas soll Posten der EU-Außenbeauftragten bekommen
Die frühere Bundesministerin für Verteidigung (2013-2019), Arbeit und Soziales (2009-2013) sowie für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005-2009) war nach der Europawahl 2019 ins Amt gekommen. Grundlage der erneuten Nominierung war der Wahlsieg ihrer europäischen Parteienfamilie EVP bei der Europawahl gewesen. Das Mitte-Rechts-Bündnis hatte danach mit den europäischen Sozialdemokraten und Liberalen eine Art informelle Koalition vereinbart und die neu zu vergebenen Spitzenposten unter sich aufgeteilt. Die Einigung sieht so auch vor, dass die liberale estnische Regierungschefin Kaja Kallas den Posten der EU-Außenbeauftragten bekommt.
Zum Präsidenten des Gremiums der Staats- und Regierungschefs wurde bereits für zunächst zweieinhalb Jahre der frühere portugiesische Regierungschef António Costa gewählt.
Die Bestätigung von der Leyens war dennoch nicht sicher, da kein Fraktionszwang existiert und in geheimer Wahl abgestimmt wurde.
Scholz: Klares Zeichen für Handlungsfähigkeit
Für die Wiederwahl gab es Lob, aber auch Kritik. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einem klaren Zeichen für die Handlungsfähigkeit in der Europäischen Union. "Die Europäerinnen und Europäer erwarten, dass wir Europa voranbringen. Gehen wir es gemeinsam an", schrieb Scholz auf X.
Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) gratulierte. "Deine Wahl ist eine gute Nachricht für Europa", schrieb Baerbock auf X. "Denn in diesen stürmischen Zeiten braucht es eine echte Herzenseuropäerin an der Spitze der EU-Kommission. Lass uns Europa gemeinsam stärker und handlungsfähiger machen." Den Glückwünschen schloss sich CDU-Chef Friedrich Merz an. "Europa muss jetzt vor allem Sicherheit gewährleisten, Wohlstand sichern und Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wachstum schaffen. Wir werden dabei nach Kräften unterstützen", schrieb Merz bei X.
Wagenknecht: Idee eines Friedensprojekts endgültig begraben
Aus Sicht des Bündnis Sahra Wagenknecht war die Wiederwahl ein schwerer Fehler. "Das BSW hat gegen Ursula von der Leyen gestimmt", erklärte Parteigründerin Sahra Wagenknecht. Sie kritisierte, dass die CDU-Politikerin die Ukraine militärisch unterstütze und den Krieg im Gazastreifen nicht ausreichend kritisiere. Damit habe "die EU die Idee eines Friedensprojekts endgültig begraben". Besonders aber attackierte Wagenknecht den "Green Deal" für mehr Klimaschutz. Dieser lege "eine Axt an den Wohlstand der Menschen, insbesondere in Deutschland", so die BSW-Vorsitzende.