Mord an Reporter de Vries "Ihnen ist ein Menschenleben nichts wert"
Die Tat hatte die Niederlande erschüttert, nun das Urteil: Mehrere Männer müssen für den Mord am Reporter de Vries teils jahrzehntelang ins Gefängnis. So begründen die Richter ihre Entscheidung.
Für die Staatsanwaltschaft ist das Urteil nicht vollends befriedigend. Die Ankläger hatten drei Mal lebenslange Haftstrafen gefordert. Weil die drei Hauptangeklagten sich zuvor aber noch nie eines Mordes schuldig gemacht hätten, beließen es die Richter bei 28 Jahren Gefängnis für den Todesschützen und den Fahrer des Fluchtwagens.
Den Mann, der den Mord vorbereitet haben soll, wollte das Gericht eigentlich zu 30 Jahren verurteilen - der höchsten Strafe nach niederländischem Recht. Weil der Angeklagte derzeit aber eine schon vierjährige Haft absitzt, lautet das Urteil 26 Jahre. Als besonders schwerwiegend bewerteten die Amsterdamer Richter die Brutalität des Verbrechens.
"Ungekannte Erbarmungslosigkeit"
Die drei Haupttäter hätten eine "ungekannte Erbarmungslosigkeit und Gewissenlosigkeit gezeigt", sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung. "Sie haben durch ihr Handeln und die dabei demonstrierte Gnadenlosigkeit erkennen lassen, dass ihnen ein Menschenleben nichts wert ist."
Auch aus den zynischen Kommentaren im Chatverlauf des Schützen gehe hervor, dass er sogar Freude an dem Mord gehabt habe. Das "offensichtliche Vergnügen", mit dem er bereit gewesen sei, de Vries zu erschießen, sei "bestürzend". Er sei "nicht im geringsten davor zurückgeschreckt", den bekannten Journalisten am helllichten Tag und in Anwesenheit unbeteiligter Passanten zu erschießen, so das Gericht.
Der Vorsitzende G. Oldekamp (2. v. l.) im Gerichtssaal vor der Urteilsverkündung im Fall des Mordes an dem Kriminalreporter Peter R. de Vries.
Richter erkennen keinen Terror
In einzelnen Punkten widersprach das Gericht der Staatsanwaltschaft. Diese hatte das Verbrechen als terroristischen Akt eingestuft und das vor allem damit begründet, dass Mitwisser unmittelbar nach den tödlichen Schüssen Videos vom Tatort und dem Opfer gedreht und ins Netz gestellt hätten, um die Bevölkerung zu verängstigen und einzuschüchtern. Bewiesen, so die Richter, sei das aber nicht.
Sohn ist zufrieden mit dem Urteil
Den Sohn des Ermordeten, Royce de Vries, interessiert diese Frage nur am Rande. Eine "juristische Diskussion", wie er sagt. "Ich stehe hier als Familienangehöriger und schaue nur, was unterm Strich für Strafen verhängt wurden." Auch bei höheren Strafen "hätten wir sicher keinen Champagner aufgemacht", sagt er. "Ich werde jetzt auch nicht in mein Kissen beißen, weil es 28 oder 30 Jahre geworden sind statt lebenslang."
Royce de Vries findet die Aufnahmen auch "schrecklich, und es ist schlimm, dass sie verbreitet wurden". Ob das aber für ein terroristisches Motiv spreche, müssten Richter und Staatsanwälte klären.
Ein großes Foto von Peter R. de Vries hängt im Königlichen Theater Carre van Publiek in Amsterdam.
Gericht sieht auch keine kriminelle Vereinigung
Die neun Angeklagten formen nach Auffassung des Gerichts auch keine kriminelle Vereinigung. Vielmehr handele es sich um eine lose Gruppe von Personen, die sich nur grob untereinander abgestimmt hätten, heißt es in der Urteilsbegründung.
Der Angeklagte, der die Waffen besorgt haben soll, muss für 14 Jahre ins Gefängnis, zwei Mitwisser, die Videos am Tatort gedreht und veröffentlicht hatten, für jeweils zehn Jahre. Drei Verdächtige wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
Motiv nicht aufgeklärt
Das Motiv für die Tat bleibt weiter unklar. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Peter R. de Vries sterben musste, weil er einem Kronzeugen nahestand, der in einem aufsehenerregenden Prozess gegen einen berüchtigten Drogenboss aussagen sollte. Zuvor waren bereits der Bruder und der Anwalt dieses Zeugen erschossen worden.
Der Tod des investigativen Journalisten hatte vor drei Jahren das ganze Land geschockt. Tausende Trauernde legten in den Tagen nach dem Anschlag Blumen am Tatort nieder. Der bekannte Kriminalreporter und Fernsehmoderator erlag neun Tage nach den Schüssen in Amsterdam im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. Er wurde 64 Jahre alt. Die Angeklagten und auch die Staatsanwaltschaft können gegen dieses erstinstanzliche Urteil Berufung einlegen.