Krieg in der Ukraine Raketenangriff auf Hafen von Odessa
Im Hafen von Odessa sind nach ukrainischen Angaben mehrere russische Raketen eingeschlagen. Präsident Selenskyj zweifelt angesichts des Angriffs an einer Perspektive für das Getreideabkommen, das erst am Freitag unterzeichnet worden war.
Einen Tag nach Abschluss eines Abkommens über Getreideexporte aus der Ukraine ist der Hafen von Odessa nach ukrainischen Angaben von mehreren Raketen getroffen worden. "Der Feind hat den Hafen von Odessa mit Kalibr-Marschflugkörpern angegriffen. Zwei Raketen trafen die Infrastruktur des Hafens", erklärte Serhij Bratschuk, ein Vertreter der ukrainischen Region Odessa. Zwei weitere Raketen seien von der Flugabwehr abgeschossen worden.
Unklar ist bislang allerdings, wie schwer die Schäden sind. Der ukrainische Militärsprecher Jurij Ignat erklärte, der Hafen sei "eigens dort getroffen worden, wo Getreidelieferungen abgewickelt wurden". Ein ukrainischer Fernsehsender meldete unter Bezug auf Militärquellen, es seien keine schweren Schäden entstanden. Getroffen worden sei eine Pumpstation und ein kleiner Brand habe mehrere Gebäude beschädigt. Das Gelände der Getreidelager sei aber nicht getroffen worden. Auch Menschen seien nach bisherigen Informationen nicht verletzt worden.
Scharfe Reaktion aus Kiew
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von Vertragsbruch und bezweifelte angesichts die Perspektive des Getreidedeals: "Dies beweist nur eins: Egal was Russland sagt oder verspricht, es wird Möglichkeiten finden, es nicht umzusetzen", sagte Selenskyj in einem auf Telegram verbreiteten Video.
Zuvor hatte die Ukraine den Angriff scharf verurteilt: Russlands Präsident Wladimir Putin habe der UN und der Türkei "ins Gesicht gespuckt". Die UN und die Türkei hatten in dem Getreideabkommen zwischen Kiew und Moskau vermittelt. Darin sagten die Vertragspartner auch zu, keine Einrichtungen anzugreifen, die für die Lebensmittelexporte nötig sind, etwa die Schwarzmeerhäfen und Schiffe. Odessa ist der wichtigste Hafen der Ukraine.
Ukraine bereitet sich weiter auf Export vor
Die Ukraine rufe die UN und die Türkei auf, Russland zur Einhaltung des Abkommens zu drängen, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Oleh Nikolenko. Sollte das Abkommen nicht umgesetzt werden, trage Russland die Verantwortung für die globale Lebensmittelkrise.
Rund 20 Millionen Tonnen Getreide lagern in der Ukraine und sollen exportiert werden. Infrastrukturminister Olexander Kubrakow erklärte jedoch, dass sich sein Land weiter auf den Export des Getreides aus seinen Häfen vorbereite.
UN und EU verurteilen Angriff
UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte den Angriff auf Odessa. Erst am Freitag hätten sich alle Parteien auf globaler Ebene klar verpflichtet, den sicheren Export ukrainischen Getreides zu gewährleisten, teilte er mit. "Die vollständige Umsetzung durch die Russische Föderation, die Ukraine und die Türkei ist zwingend erforderlich", sagte er laut Mitteilung.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schrieb auf Twitter: "Einen Tag nach der Unterzeichnung der Abkommen von Istanbul ein für den Getreideexport entscheidendes Ziel zu treffen, ist besonders verwerflich und zeigt erneut Russlands völlige Missachtung des Völkerrechts und der Verpflichtungen".
Die US-Botschafterin in Kiew, Bridget Brink, twitterte, der Kreml nutze Nahrungsmittel weiter als Waffe. Dafür müsse Russland zur Verantwortung gezogen werden.
Russland bestreitet Angriff
Der türkische Verteidigungsminister Hulusai Akar erklärte, Russland habe der Türkei gegenüber bestritten, etwas mit dem Angriff zu tun haben. "Die Russen haben uns mitgeteilt, dass sie absolut nichts mit diesem Angriff zu tun hätten, und dass sie diese Angelegenheit sehr genau und im Detail untersuchen", sagte Akar. Der Angriff sei sehr bedauerlich und die Türkei rufe alle Beteiligten auf, ihre vereinbarte Zusammenarbeit fortzusetzen.
Weitere Angriffe in Zentral-, Ost- und Südukraine
Ukrainische Stellen berichteten auch von anderen Angriffen in verschiedenen Regionen des Landes, auch weitab von der Front. So seien bei einem russischen Raketenangriff im Gebiet Kirowohrad in der Zentralukraine mindestens drei Menschen getötet und neun verletzt worden. Insgesamt habe die russische Armee 13 Raketen abgefeuert, darunter auf einen Militärflughafen und ein Objekt der Eisenbahn.
Bei den Toten handele es sich den Angaben zufolge um einen Soldaten und zwei Wachleute einer Transformatorenstation. Das Gebiet war bislang relativ selten Ziel von Angriffen. Der Leiter der Militäradministration, Andrij Rajkowitsch, rief die Menschen auf, Luftalarme nicht zu ignorieren.
Aus Mykolajiw im Süden des Landes wurden sechs Raketeneinschläge gemeldet. Im Gebiet Donezk im Donbass soll es nach russischem Beschuss mehrere Verletzte gegeben haben. Der ukrainische Generalstab berichtete von viel Artilleriebeschuss, alles in allem habe es zuletzt aber vergleichsweise geringe russische Aktivitäten gegeben.
Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.
Schwere Gefechte im Süden nahe Cherson
An der südlichen Front nahe Cherson geraten die russischen Truppen nach Einschätzung des britischen Geheimdienstes immer stärker unter Druck durch ukrainische Gegenangriffe. "Für die Nachschublinien der russischen Kräfte westlich des Flusses Ingulets wächst das Risiko", teilte der Geheimdienst mit. In den vergangenen 48 Stunden habe es schwere Gefechte um Nachschublinien gegeben. Die russischen Truppen versuchten demnach, mit schwerem Artilleriefeuer den ukrainischen Vormarsch aufzuhalten.