Nach Einnahme Mariupols Ukraine befürchtet russischen Vormarsch
Nachdem russische Truppen Mariupol eingenommen haben, rechnen ukrainische Offizielle mit einem weiteren Vordringen im Donbass. Russland wolle einen Landkorridor zur 2014 annektierten Krim-Halbinsel schaffen.
Nach der Einnahme der Hafenstadt Mariupol durch russische Truppen befürchten ukrainische Offizielle einen weiteren russischen Vormarsch in den Gebieten Donezk und Luhansk im Donbass. Es gebe bereits massive Gefechte, berichtet der Militärgouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj.
Die Stadt Sjewjerodonezk etwa stehe seit Tagen unter Beschuss. "Die Russen löschen Sjewjerodonezk wie Mariupol aus. In den Vororten der Stadt laufen Kämpfe", teilte Hajdaj beim Messengerdienst Telegram mit. Es gebe Tote und Verletzte.
Selenskyj: Mehrere Städte komplett zerstört
"Die Angriffe im Donbass gehen weiter", sagte auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Freitag in seiner abendlichen Ansprache. Mehrere ukrainische Städte seien schon komplett zerstört worden, wie auch Mariupol. Nun wolle die russische Armee Sjewjerodonezk und andere Städten genauso behandeln.
Die Äußerungen des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu, Russland stehe kurz davor, die Region Luhansk einzunehmen, wies Hajdaj zurück. Schoigu habe keinen Überblick über seine eigenen Truppen.
Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.
Landkorridor zur Krim-Halbinsel
In Luhansk kontrollieren ukrainische Truppen nur noch die Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk. "Unsere Truppen bekommen ausländische Waffen, bewaffnen sich neu, beziehen neue Stellungen - und ich glaube, dass wir im Juni zum Gegenangriff übergehen können", sagte Hajdaj dazu.
Die russische Armee wolle vollständige Kontrolle über Luhansk und Donezk, teilte der ukrainische Generalstab mit. Damit solle ein Landkorridor zu der 2014 annektierten Krim-Halbinsel geschaffen werden. Dass Mariupol unter russische Kontrolle gefallen sei, sei aus russischer Sicht ein wichtiger Teilerfolg.
Mariupol unter russischer Kontrolle
Am Freitag hatte das russische Verteidigungsministerium bekannt gegeben, mehr als 2000 Kämpfer im Asow-Stahlwerk in Mariupol hätten sich ergeben. Sie seien die letzten verbliebenen ukrainischen Truppen gewesen. Die Stadt sei nun komplett unter russischer Kontrolle.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Russland habe begonnen, Minen aus dem Gebiet um den Hafen Mariupols zu räumen, um diesen wieder nutzbar zu machen, so der ukrainische Generalstab.
Vor dem Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar hatte Russland die Gebiete Luhansk und Donezk als unabhängig anerkannt. Teile der Regionen standen seit 2014 unter der Kontrolle pro-russischer Separatisten.