Krieg gegen die Ukraine Russland droht mit weiteren Angriffen
Russlands Präsident Putin hat den Raketenbeschuss ukrainischer Städte als Reaktion auf "terroristische Handlungen" verteidigt - und mit weiteren Angriffen gedroht. Die Ukraine forderte wiederum eine "harte" internationale Antwort.
Nach der Explosion auf der Krim-Brücke hat das russische Militär mit einer Serie von Vergeltungsangriffen am Morgen Kiew und weitere Städte der Ukraine unter Beschuss genommen. Der russische Präsident Wladimir Putin sagte in einer Videoschalte mit seinem Sicherheitsrat, die Attacken seien eine Reaktion auf Kiews "terroristische" Handlungen, darunter auch der Anschlag auf die Krim-Brücke am Samstag.
"Antworten Russlands werden heftig ausfallen"
Putin drohte für den Fall weiterer ukrainischer Angriffe mit einer harten Reaktion Russlands. "Wenn die Versuche terroristischer Anschläge auf unser Gebiet fortgesetzt werden, werden die Antworten Russlands heftig ausfallen und in ihrem Ausmaß dem Niveau der Bedrohungen entsprechen", sagte er. "Daran sollte niemand irgendwelche Zweifel haben."
Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.
Auch Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedjew drohte mit neuen Raketenangriffen auf ukrainische Städte. "Die erste Episode ist vorbei. Es wird weitere geben", schrieb Medwedew, der Vizesekretär des Sicherheitsrats ist, auf Telegram. Der ukrainische Staat sei in seiner jetzigen Form eine ständige Bedrohung für Russland. Deshalb müsse die politische Führung des Nachbarlands vollständig beseitigt werden, betonte Medwedew. Dies sei seine "persönliche Position".
Angriffe auf Infrastruktur
Putins Angaben zufolge feuerte das russische Militär "Präzisionswaffen" aus der Luft, vom Wasser und vom Boden aus auf die Energieinfrastruktur, militärische Anlagen und das Fernmeldewesen ab.
"Die Ziele hinter den Angriffen wurden erreicht, alle festgelegten Einrichtungen wurden getroffen", sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Allerdings wurden nach ukrainischer Darstellung auch Wohngebiete getroffen. Nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums feuerte Russland insgesamt 83 Raketen ab. 41 dieser Raketen seien von der ukrainischen Luftabwehr abgefangen worden.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Einschläge in Kiew und anderen Städten
In der Hauptstadt Kiew und im westukrainischen Lwiw waren am Morgen zum ersten Mal seit Monaten wieder Raketen eingeschlagen, auch viele andere Städte wurden beschossen. Die Angriffe töteten mindestens elf Menschen landesweit, mindestens 64 wurden verletzt, wie der ukrainische Zivilschutz mitteilte.
Allein in Kiew kamen nach Angaben von Bürgermeister Witali Klitschko fünf Menschen ums Leben, 52 wurden verletzt. Viele Menschen waren gerade auf dem Weg zu Arbeit. Klitschko sagte, Explosionen habe es im Schewtschenko-Bezirk gegeben, in dem sich die historische Altstadt mit Behörden- und Regierungsgebäuden befindet. Die Parlamentsabgeordnete Lesia Wassylenko veröffentlichte bei Twitter ein Foto, wonach sich eine Explosion in der Nähe des Hauptgebäudes der Universität von Kiew ereignete.
"Haltet durch und seid stark"
Die Raketensalven trafen am Morgen auch mehrere andere Städte in der Ukraine, von Charkiw im Osten bis Lwiw im Westen. Überall im Land griffen russische Raketen zivile Einrichtungen und Energieinfrastruktur an. So meldete der Bürgermeister von Charkiw, Ihor Terechow, dass drei russische Angriffe die Strom- und Wasserversorgung ausgeschaltet hätten. Auch der Regionalgouverneur von Lwiw, Maksym Chelmyzkyj, meldete Treffer auf die Energieinfrastruktur.
"Wir haben es mit Terroristen zu tun", teilte Präsident Wolodymyr Selenskyj bei Telegram mit. "Sie wollen Panik und Chaos, sie wollen unser Energieversorgungssystem zerstören." Dutzende Raketen und iranische Drohnen seien auf Energieanlagen im ganzen Land abgefeuert worden, darunter auch auf Gebiete in der Westukraine, schrieb Selenskyj weiter.
Das zweite Ziel seien Menschen. "Sie haben speziell eine solche Uhrzeit und solche Ziele gewählt, um so viel Schaden wie möglich anzurichten." Er bat die Menschen, in den Schutzräumen auszuhalten, wo sie erstmals seit Monaten wieder hinflüchten mussten. "Haltet durch und seid stark."
Aufruf zum Stromsparen
Die ukrainische Führung rief die Bevölkerung außerdem auf, am Abend elektrische Geräte auszuschalten, um das Stromnetz nicht zu überlasten. "Wegen des heutigen Beschusses bitten wir alle inständig, nach Möglichkeit zwischen 17 und 22 Uhr den Energieverbrauch zu beschränken", schrieb Tymoschenko auf seinem Telegram-Kanal. Nur so lasse sich die Spitzenbelastungszeit ohne weitere Abschaltungen überstehen.
Der Vertreter des ukrainischen Präsidenten im Parlament, Andrij Herus, warnte vor einem "der schwersten Abende" für die ukrainische Energieversorgung. In einigen Regionen werde es gar keinen Strom geben, in anderen werde nach Plan für eine gewisse Zeit der Strom abgestellt. Je mehr Strom die Bürger selbst sparten, um so eher könne eine großflächige Abschaltung vermieden werden, erklärte Herus.
G7-Sondertreffen am Dienstag
In Telefonaten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron forderte Selenskyj eine "harte" internationale Reaktion auf die russischen Angriffe und ein Dringlichkeitstreffen der G7-Staaten. Am Dienstag soll eine G7-Videokonferenz mit Selenskyj stattfinden. Die EU verurteilte die russischen Angriffe auf das Schärfste. "Dieser wahllose Angriff auf Zivilisten kommt einem Kriegsverbrechen gleich", sagte der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg verurteilte die russischen Angriffe auf zivile Ziele in der Ukraine als "entsetzlich" und "rücksichtslos". Die NATO werde das tapfere ukrainische Volk weiterhin unterstützen, sich gegen die Aggression des Kremls zu wehren, so lange es nötig sei, schrieb er auf Twitter.