Getreideschiff auf dem Weg in die Türkei Wertvolle Fracht in vermintem Gewässer
Die Route ist gefährlich, die Aufmerksamkeit groß: Ein mit ukrainischem Getreide beladener Frachter ist auf dem Weg in die Türkei. Der ukrainische Präsident Selenskyi zeigte sich optimistisch, dass weitere Exporte folgen.
Nachdem der mit rund 26.000 Tonnen Mais beladene Frachter "Razoni" gestern den ukrainischen Hafen von Odessa verlassen hatte, wird er voraussichtlich in der Nacht zu Mittwoch zur Inspektion in der Türkei ankommen. Die Ankunft verzögert sich damit. Zunächst hatte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar von heute Nachmittag gesprochen. Einen Grund für die Verzögerung nannte das Ministerium nicht.
Die "Razoni" ist das erste mit Getreide beladene Schiff seit Beginn des russischen Angriffskriegs, welches einen ukrainischen Hafen auslaufen konnte. Entsprechend groß war die Erleichterung der internationalen Gemeinschaft. Ukrainisches Getreide wird weltweit dringend benötigt. Ziel des Schiffes ist der Libanon, es muss jedoch zunächst über einen speziellen Seekorridor sicher durch in ukrainischer Küstennähe vermintes Gewässer gelotst werden.
Selenskyj: Milliarden an Deviseneinnahmen
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich vorsichtig optimistisch, die globale Versorgungskrise lösen und die eigene Wirtschaft ankurbeln zu können. "Der Hafen hat begonnen zu arbeiten und dies ist ein positives Signal dafür, dass es eine Chance gibt, die Entwicklung der Nahrungsmittelkrise in der Welt zu stoppen", sagte Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft. Seinen Angaben nach warten 16 weitere Schiffe in den Häfen darauf, abgefertigt zu werden.
Selenskyj machte deutlich, dass die Umsetzung des Getreideabkommens, das ein Ende der russischen Seeblockade vorsieht, auch für die Ukraine von enormer Bedeutung ist. Es gehe nicht nur um Milliarden an Deviseneinnahmen. "Ungefähr eine halbe Million Ukrainer sind am Anbau der landwirtschaftlichen Exporterzeugnisse beteiligt, und wenn wir verwandte Industrien hinzufügen, dann sind das noch eine Million Arbeitsplätze zusätzlich", sagte er.
Moskau verspricht Einhaltung des Abkommens
Ein Sprecher des russischen Militärs versicherte, dass Russland seine Verpflichtungen zur Umsetzung des Abkommens einhalten werde. Moskau habe alle Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit des Schiffsverkehrs im Schwarzen Meer zu garantieren. Für die ukrainischen Häfen seien entsprechende Korridore geschaffen worden.
Vor der Einfahrt in den Bosporus wird das Schiff nach Angaben des türkischen Verteidigungsministeriums ankern und von Vertretern der Ukraine, Russlands, der Vereinten Nationen und der Türkei inspiziert. Die Kontrollteams gehen dafür voraussichtlich am Mittwochmorgen an Bord des Schiffes. Die durch Istanbul verlaufende Meerenge Bosporus ist der einzige Seeweg vom Schwarzen Meer zum Mittelmeer. Mit der Inspektion soll unter anderem sichergestellt werden, dass keine Waffen oder Ähnliches geladen sind. Anschließend soll der Frachter die Meerenge passieren - er wird am Mittwoch im libanesischen Hafen Tripoli erwartet.
Mit der Lieferung sollen Millionen Tonnen Getreide wieder für den Weltmarkt verfügbar werden. Die Ukraine zählte vor dem russischen Angriffskrieg zu den wichtigsten Getreide-Exporteuren der Welt. Die Nahrungsmittel werden vor allem in Asien und Afrika dringend benötigt.
Baerbock: "Kleine Geste der Humanität"
UN-Generalsekretär António Guterres sprach von einem "Meilenstein". In New York begrüßte Außenministerin Annalena Baerbock das Auslaufen des ersten Getreidefrachters als "kleine Geste der Humanität". Selenskyi forderte die internationale Gemeinschaft auf, aufmerksam zu verfolgen, ob sich Moskau weiter an das Abkommen halte. "Wir können nicht den Illusionen verfallen, dass Russland es einfach unterlassen wird, zu versuchen, ukrainische Exporte zu stören."
Die Kriegsgegner Ukraine und Russland hatten am 22. Juli unter Vermittlung der Vereinten Nationen jeweils getrennt mit der Türkei ein Abkommen in Istanbul unterzeichnet, um von drei Häfen Getreideausfuhren aus der Ukraine zu ermöglichen. Dazu wurde auch ein Kontrollzentrum in Istanbul eingerichtet, das mit russischen, ukrainischen, türkischen und UN-Vertretern besetzt ist.