Krieg in der Ukraine Russland meldet Einnahme von AKW
Russische Einheiten haben nach eigenen Angaben das Gebiet um das größte Atomkraftwerk in der Ukraine unter ihre Kontrolle gebracht. Zudem erklärte Moskau, man habe die Stadt Cherson im Süden des Landes eingenommen.
Russische Einheiten haben nach Angaben aus Moskau das Gebiet um das größte Atomkraftwerk in der Ukraine unter ihre Kontrolle gebracht. Dies hätten russische Diplomaten der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien mitgeteilt, berichtete IAEA-Chef Rafael Grossi.
In der Ukraine sind 15 Kernreaktoren in vier Kraftwerken in Betrieb. Grossi hat deshalb bereits vor der Gefahr eines schweren Atomunfalls im Zuge der Kampfhandlungen gewarnt. Heute tagt der Gouverneursrat der IAEA, um die Lage zu besprechen. Laut dem Brief der russischen Botschaft an die IAEA sorgen die Mitarbeiter im nun eingenommenen AKW Saporischschja weiterhin für den sicheren Betrieb. Die Strahlenwerte seien normal.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Kiew: Betrieb der AKWs läuft normal
Noch am Tag zuvor hatte die ukrainische Regierung davon gesprochen, dass ihre Kontrolle über alle laufenden AKWs gewahrt sei. In einer neuen Mitteilung berichtete Kiew der IAEA am Morgen, dass die Kommunikation mit allen Kernkraftwerken im Land gesichert sei und dass ihr Betrieb normal weiterlaufe.
Nach Angaben des Beraters des ukrainischen Innenministeriums, Anton Heraschtschenko, wollen russische Kräfte zudem das Kernkraftwerk "Süd-Ukraine" rund 350 Kilometer westlich von Saporischschja einnehmen. Mehrere Hubschrauber seien gesehen worden, die in die Richtung unterwegs seien.
Schwere Angriffe auf Charkiw - Polizeizentrale zerstört
Unterdessen verlagern sich die Kämpfe immer mehr in die Großstädte. Bei den schweren russischen Angriffen auf die zweitgrößte ukrainische Stadt Charkiw wurde die örtliche Zentrale der Polizei und des Geheimdienstes teilweise zerstört. Nach Angaben der Rettungsdienste gab es am Mittwoch vier Tote und neun Verletzte. In Videos im Internet war zu sehen, dass das fünfstöckige Gebäude kein Dach mehr hat und das oberste Geschoss in Flammen stand. Trümmerteile lagen rund um das Gebäude verstreut.
Die ukrainische Regierung veröffentlichte zudem Bilder von weiteren Angriffen auf die Millionenstadt. Bewohnerin Marina Boreiko sagte der Nachrichtenagentur AP, am Dienstag sei auch ihr Nachbarhaus getroffen worden. "Ein russisches Flugzeug hat eine Bombe auf das Haus neben uns abgeworfen." Sie selbst sei zu Hause gewesen und habe nur durch Glück überlebt, in den Trümmern habe sie die Leichen ihrer Nachbarn gesehen.
Auch in der Nacht war Charkiw beschossen worden. Russische Luftlandetruppen seien in die 1,4-Millionen-Einwohner-Stadt eingedrungen und hätten ein militärmedizinisches Zentrum angegriffen, meldete die ukrainische Armee. Auch direkte Kämpfe zwischen ukrainischer und russischer Armee soll es gegeben haben.
Moskau: Cherson unter russischer Kontrolle
Auch im südukrainischen Cherson wurde gekämpft. Das russische Militär hat eigenen Angaben zufolge die volle Kontrolle über die seit Tagen umkämpfte Großstadt erlangt. "Russische Einheiten der Streitkräfte haben das Zentrum der Region Cherson vollständig unter ihre Kontrolle gebracht", sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow.
Von ukrainischer Seite hieß es lediglich, die Stadt sei umzingelt und russische Soldaten hätten den Hafen und den Bahnhof übernommen. Es habe zahlreiche Tote und Verletzte unter ukrainischen Soldaten und Zivilisten gegeben.
Es wäre die erste ukrainische Gebietshauptstadt, die russische Truppen unter ihre Kontrolle bringen.
Tote bei Luftangriff in der Großstadt Schytomyr
Bei einem Luftangriff in der Großstadt Schytomyr rund 140 Kilometer westlich von Kiew wurden nach Angaben der Behörden zwei Menschen getötet und zehn verletzt. Der Angriff galt demnach der 95. Brigade der ukrainischen Armee.
Mariupol unter Beschuss
Die Stadt Mariupol am Asowschen Meer liegt nach Angaben des Bürgermeisters seit Dienstagabend unter intensivem Beschuss. Es sei unmöglich, Verletzte aus der Stadt herauszubringen.
Der Sicherheitsdienst der Ukraine erklärte außerdem, feindliche Truppen stünden gefährlich nah an der nördlichen Grenze des Landes. Die Aufklärung habe Informationen, diese seien in Alarmbereitschaft versetzt worden. Sie könnten beim Sturm auf Kiew zum Einsatz kommen. Die Bodenoffensive auf die Hauptstadt könnte ausgeweitet werden.
Russland bietet neue Gespräche an
Inmitten dieser Angriffe hat Russland der Ukraine neue Gespräche noch am Mittwoch angeboten. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, die russische Delegation werde in der zweiten Tageshälfte für die Gespräche mit den Vertretern der Ukraine eintreffen. Wo genau, sagte er nicht. Nach der letzten - ergebnislosen - Gesprächsrunde am Montag an der belarusisch-ukrainischen Grenze war die Grenze zu Polen als nächster Treffpunkt genannt worden. Die russische Delegation soll wieder von Wladimir Medinskij angeführt werden, dem Kulturberater des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Die ukrainische Regierung äußerte sich zunächst nicht zu dem neuen Treffen.
Selenskyj: Bislang fast 6000 tote russische Soldaten
Fast 6000 russische Soldaten sind nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in den sechs Tagen des Krieges getötet worden. Russland könne die Ukraine nicht mit Bomben, Angriffen und Raketen gewinnen, sagte er.