Krieg gegen die Ukraine Russische Truppenbewegungen rund um Kiew
Die russischen Streitkräfte versuchen offenbar weiter, von Norden aus in Richtung Kiew vorzustoßen. Charkiw leidet nach ukrainischen Angaben unter Dauerbeschuss, Angriffe gab es demnach auch in Dnipro.
Die russischen Streitkräfte versuchen weiter, zur ukrainischen Hauptstadt vorzudringen. Ihr Ziel ist es laut ukrainischem Generalstab, die Verteidigungsanlagen bei Kuchari 90 Kilometer nordwestlich von Kiew sowie bei Demidow, 40 Kilometer nördlich der Stadt, zu durchbrechen.
Dass sich die Invasion demnächst auf Kiew konzentrieren könnte, darauf könnten Satellitenfotos hindeuten, die das Unternehmen Maxar Technologies veröffentlichte. Demnach hat sich der kilometerlange russische Militärkonvoi vor Kiew aufgelöst. Panzer und gepanzerte Fahrzeuge seien teilweise in Orte rund um den Antonow-Flughafen nördlich von Kiew oder in die umliegenden Wälder gefahren, berichtete das Unternehmen. Haubitzen seien in Stellung gegangen, um das Feuer zu eröffnen.
Dieses von Maxar Technologies veröffentlichte Satellitenbild soll russische Militärfahrzeuge im Wald beim Flughafen Antonow zeigen.
Experten: Russland sortiert Truppen neu
Experten der britischen Regierung halten Angriffe russischer Truppen auf die ukrainische Hauptstadt Kiew in den kommenden Tagen für wahrscheinlich. Das geht aus einer Einschätzung des Verteidigungsministeriums in London hervor. "Russland wird wohl versuchen, seine Kräfte neu aufzustellen für erneute Offensiven in den kommenden Tagen. Das wird wahrscheinlich auch Militäraktionen gegen die Hauptstadt Kiew einschließen", hieß es darin.
Vergangene Woche war der Konvoi des russischen Militärs noch mehr als 60 Kilometer lang gewesen. Doch wegen Versorgungsproblemen und beschädigten und zerstörten Fahrzeugen kam er nicht voran. Aus US-Regierungskreisen hieß es, das ukrainische Militär habe den Konvoi, der ein einfaches Ziel darstellte, mehrfach angegriffen.
Angriffe in Dnipro
Luftangriffe des russischen Militärs wurden erneut auch aus der Industriestadt Dnipro im Zentrum der Ukraine gemeldet. In einem Video, das die Nachrichtenagentur UNIAN veröffentlichte, ist ein Feuerball und Rauch über schneebedeckten Dächern zu sehen. Es habe Einschläge in der Nähe eines Kindergartens und eines Wohngebäudes gegeben, bestätigte ein Berater des Innenministeriums. Mindestens ein Mensch sei getötet worden. Dnipro war bislang von größeren russischen Angriffen verschont geblieben.
Charkiw unter Dauerbeschuss
Auch in Charkiw in der Ostukraine waren am Morgen Explosionen zu hören. Weitere Luftangriffe hat es in der Nähe von Flughäfen in den westukrainischen Iwano-Frankiwsk und Lutsk gegeben, weit entfernt von Russlands Hauptstoßrichtung. Der Gouverneur von Charkiw, Oleh Synegubow, sagte, Wohngebiete der Stadt seien an einem Tag 89 Mal bombardiert worden. Dutzende Schulen wurden nach Angaben des Bürgermeisters zerstört. Unter anderem sei auch ein psychiatrisches Krankenhaus getroffen worden. 330 Menschen seien in der Klinik gewesen, 73 seien evakuiert worden, sagte Synegubow, ohne Opferzahlen zu nennen. Die Angaben lassen sich nicht überprüfen.
Die schraffierten Bereiche zeigen die von den Russen kontrollierten Gebiete in der Ukraine.
Atomares Forschungslabor beschossen
Entwarnung gab Synegubow nach dem wiederholten Beschuss eines nuklearen Forschungszentrums am nördlichen Stadtrand. Von dem getroffenen Institut mit einem Atomlabor gehe keine Gefahr aus. "Es gibt noch keine Gefahr für die Zivilbevölkerung", sagt er in einer Videobotschaft. Den Angaben nach sei die Anlage nun ohne Strom, am Gebäude gebe es oberflächliche Schäden. Man versuche genauer zu bestimmen, welche Folgen die Schäden hätten, heißt es weiter.
Am Charkiwer Institut für Physik und Technologie befindet sich ein Forschungsreaktor, der mit schwach angereichertem Uran betrieben wird. Laut Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) wurden beide ukrainischen Forschungsreaktoren - ein zweiter befindet sich in Kiew - bereits Ende Februar heruntergefahren. In der Anlage in Charkiw sollen sich 37 atomare Brennelemente befinden.
Dramatische Lage in Mariupol
Dramatisch ist die Lage auch in der eingekesselten und beschossenen Stadt Mariupol. Die ukrainische Regierung hofft auf einen Fluchtkorridor für Zivilisten. Sie hoffe, dass ein Fluchtweg noch an diesem Freitag möglich sein werde, sagt Vize-Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk. Bemühungen um einen solchen Korridor waren in dieser Woche mehrfach gescheitert. Mariupol liegt im Südosten der Ukraine am Asowschen Meer.