Vor der Küste Spaniens Die rätselhaften Angriffe der Orcas
Vor der Südküste Spaniens greifen Orcas immer wieder Boote an. In den vergangenen drei Jahren wurden Hunderte solcher Vorfälle registriert. Wissenschaftler stehen vor einem Rätsel.
Wenn plötzlich Schwertwale aus dem Wasser auftauchen, zückt jeder seine Kamera. Deswegen kursieren viele Videos im Internet, die die Angriffe dokumentieren. Wie jenes, das die "Daily Mail" gepostet hat: Es zeigt, wie Orcas ein Segelboot umschwimmen, und das Boot dann erzittert.
Später läuft das Schiff mit Wasser voll und muss von der Küstenwache abgeschleppt werden. Für Segler ein Albtraum. Auch Friedrich Sommer ist das so ergangen. "Wir wurden gegen zwei, halb drei Uhr nachmittags angegriffen, von einer Gruppe von drei oder vier Schwertwalen", sagte er der Nachrichtenagentur AFP. "Wir sahen, wie sie sich dem Boot genähert haben - und 30 Sekunden später war das Ruder beschädigt. Sie haben das Ruder direkt angegriffen, es mit voller Kraft gerammt."
"Das ist kein übliches Verhalten"
Im Hafen der Küstenstadt Barbate wird es jetzt repariert. Andere hatten weniger Glück: Ihr Boot ging komplett unter. Immer wieder gibt es solche Vorfälle zwischen der spanischen und der marokkanischen Küste. Menschen sind bisher immerhin nicht zu Schaden gekommen.
Jose Luis García ist verantwortlich für das Ozeanprogramm der Umweltschutzorganisation WWF in Spanien. Er sagt: "Das ist kein übliches Verhalten in der Schwertwalpopulation in der Straße von Gibraltar." Es handele sich um das Verhalten einzelner Familien. Schwertwale seien Familientiere, Gruppentiere. "Sie sind sehr intelligent und geben Wissen durch Laute weiter, vielleicht hat das damit zu tun. Wir kennen die Gründe des Verhaltens noch nicht. Daher ist es schwierig, Schritte zu planen, um sie von diesem Verhalten abzubringen."
Spielerisches Verhalten oder feindlicher Angriff?
Bei den Tieren handelt es sich offenbar um eine Familie von 39 Mitgliedern. Manche Forscher vermuten, dass es die Mutter ist, die die anderen Tiere zu den Attacken anstiftet. Wobei "Attacke" wohl das falsche Wort ist - schließlich gehen sie nicht auf Essbares los, sondern auf Boote. Forscher sprechen daher lieber wertfrei von "Interaktion".
Walforscher Renaud de Stephanis erklärt: "Wir arbeiten mit verschiedenen Hypothesen: Von spielerischem Verhalten bis zum feindlichen Angriff. Wir prüfen die Daten und müssen uns jetzt austauschen - mit anderen Forschern europäischer und weltweiter Organisationen. Wir können noch keine endgültige Antwort geben, aber wir kommen ihr näher."
Satellitengestützte App zeigt Orcas an
Möglich ist, dass die Schwertwalmutter schlechte Erfahrungen mit Fischerbooten gemacht hat - und sie deshalb ins Visier nimmt. Vielleicht geht es den Tieren aber einfach nur darum, den anderen zu zeigen, was sie können - pure Angeberei also.
Orcas werden Menschen immerhin nicht gefährlich. Sie ziehen Thunfisch vor. Und trotzdem sollten Segler den Tieren lieber ausweichen. Eine neue, satellitengestützte App hilft ihnen jetzt dabei. Sie zeigt an, wo sich die Orcas aktuell wahrscheinlich aufhalten. Damit es möglichst zu keinen weiteren unangenehmen Begegnungen kommt.