Slowakei vor Parlamentswahl Festnahmen im "Krieg der Polizisten"
Im September wird in der Slowakei das Parlament gewählt. In den vergangenen Wochen wurden mehrere Mitarbeiter des Sicherheitsapparats festgenommen. Die Opposition sieht darin einen Putsch, die Regierung Korruptionsbekämpfung.
Es sind schwere Vorwürfe, die Robert Fico Tag für Tag in eilig einberufenen Pressekonferenzen äußert. Der ehemalige Regierungschef der Slowakei musste vor fünf Jahren nach dem Mord an dem Journalisten Jan Kuciak zurücktreten. Der Linkspopulist stand für ein System voller Korruption. Doch nach den Wahlen Ende September könnte er die nächste Regierung anführen.
"Sie wissen sehr gut, dass sie uns mit demokratischen Mitteln nicht schlagen können", so Fico. "Daher haben wir es jetzt mit einem klassischen Polizeiputsch zu tun." Das Ziel sei es, die wichtigsten Sicherheitsorgane unter ihre Kontrolle zu bringen. "Dieser Putsch hat die volle Unterstützung der Präsidentin und ihres geschäftsführenden Premierministers."
In mehreren Razzien hat die slowakische Kriminalpolizei zunächst den Ex-Polizeipräsidenten und Fico-Vertrauten Tibor Gaspar festgenommen, später den aktuellen Chef des Inlandsgeheimdienstes, dessen Vorgänger, den Chef des nationalen Sicherheitsamts sowie ehemalige Polizisten und Geschäftsleute. Peter Pellegrini, der Nachfolger von Fico als Regierungschef und möglicher neuer Koalitionspartner, hält das Funktionieren des Staates für gefährdet: "So eine Situation hat es in der Slowakei noch nicht gegeben. Und so etwas passiert nirgendwo in unseren Nachbarländern und schon gar nicht in Demokratien westlich von uns."
Schwere Vorwürfe gegen die Beschuldigten
Die Vorwürfe gegen die Beschuldigten wiegen allerdings auch schwer: Ihnen wird Amtsmissbrauch und Justizbehinderung vorgeworfen sowie die Bildung einer kriminellen Vereinigung. Laut dem aktuellen Polizeipräsidenten Stefan Hamran steht die jüngste Verhaftungswelle in keinem Zusammenhang mit der vorgezogenen Parlamentswahl in knapp sechs Wochen. Die Ermittlungen liefen seit zwei Jahren. "In diesem Land wurde gestohlen, in diesem Land wurde korrumpiert und das bis in höchste Kreise", so Hamran.
Slowakische Medien sprechen seit dem Ende der Fico-Regierung von einem undurchsichtigen "Krieg der Polizisten". Vertraute des langjährigen Premiers wurden verurteilt, andere Verfahren wurden eingestellt. Fico konnte nie etwas nachgewiesen werden. Die Korruptionsermittler selbst wurden von anderen Polizeieinheiten beschuldigt, sie hätten Verfahren und Zeugenaussagen manipuliert.
Ihren Vertrauensvorschuss als Korruptionsbekämpfer verspielte die nachfolgende konservative Koalition schnell und zerlegte sich selbst. Daran war auch Parlamentspräsident Boris Kollar beteiligt. "Man kann nicht eine alte Ungerechtigkeit durch eine neue ersetzen", so Kollar. "Leider Gottes sehen wir aber nach dem Scheitern unseres Mandats, dass die vorherige Gruppe in der Polizei nur durch eine andere ersetzt wurde, die dieselben illegalen Mittel einsetzt."
Das Vertrauen in den Rechtsstaat sinkt
Präsidentin Zuzana Caputova weist Vorwürfe wie diese zurück. Nach einer Sitzung des Sicherheitsrates erklärte die liberale Politikerin: "Alle Organe des Staates sind funktionsfähig. Es verläuft kein Polizeiputsch in der Slowakei."
Caputova suspendierte den Chef des Inlandsgeheimdienstes, Michal Alac. Übergangspremier Ludovit Odor soll heute dessen Entlassung vorschlagen. "Die Slowakei ist weiterhin ein Rechtsstaat", so Odor. "Die nächsten Stunden und Tage werden zeigen, ob sich auch Staatsanwaltschaft und Gerichte den Beschuldigungen der Polizei anschließen. Nicht Politiker, sondern sie werden entscheiden, ob es zu Rechtsverstößen gekommen ist oder nicht."
Fest steht schon jetzt: Das Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaat in der Slowakei ist weiter gesunken. Die Gesellschaft sei polarisiert wie nie, warnt der Politikwissenschaftler Jozef Lenc. Für Beobachter wie ihn ist völlig offen, welches politische Lager am Ende profitiert. "Viele Bürger werden jetzt auf jeden Fall nach einer starken Persönlichkeit rufen, die hier Ordnung macht", schätzt Lenc. "Und das ist die große Gefahr für die Demokratie in der Slowakei.“