Ringkampf auf Sägemehl Die Schweiz sucht den Schwinger-König
Eine ungewöhnliche Sportart elektrisiert die Schweiz: das Schwingen. Muskelbepackte Schwergewichte versuchen den anderen im Sägemehl auf den Rücken zu legen. In Pratteln findet der Kampf um den "Königstitel" statt.
Die Schwinger kommen bullig daher. Muskelbepackte Schwergewichte, die sich auf Sägemehl einen Kampf Mann gegen Mann liefern. Die Bösen, so werden sie auch genannt. Doch diese Bezeichnung täuscht, erklärt Enrico Matossi: "Grundsätzlich sind die Schwinger sehr umgängliche Typen, nicht abgehobene Typen. Sehr lieb."
Und: Die Schwinger sind toleranter als man denkt, so Matossi. Er war in den 1980er- und 1990er-Jahren selbst aktiv im Schwingsport. Nach seiner Karriere outete er sich als schwul. Selbst als sich vor zwei Jahren ein noch aktiver Schwinger outete, hielt sich die Aufregung in Grenzen, erinnert sich Matossi:"Da war es vorher genau wie nachher. Kein Unterschied. Weder in der Schwingerei, noch bei seiner Person. Also kein Thema. Schwamm drüber. Keine Diskussion."
Ringkampf im Sägemehl: Samuel Giger (oben) und Roger Rychen bei einem Schwingwettkampf Ende Juni.
Schwinger kommen aus allen Teilen der Gesellschaft
Die Schwinger kommen aus allen Teilen der Gesellschaft. Landwirte, Handwerker, aber auch Ingenieure sind dabei. Auf Dauer von dem Sport leben können die Schwinger aber in der Regel nicht. "Der Königsfavorit, der Samuel Giger, der immer wieder genannt wird. Der arbeitet 60 bis 80 Prozent. Er fährt seinen Lkw - also er ist kein Profisportler. Überhaupt nicht", sagt Matossi.
Das Schwingen ist ein in der Schweiz sehr populärer, archaischer Ringkampf. Auf Sägemehl unter freiem Himmel muss der Gegner auf den Rücken gedrückt werden. An diesem Samstag beginnen in Pratteln bei Basel die Wettkämpfe um den nationalen "Königstitel". 280 Sportler treten an.
Kampf um den "Königstitel" - voll besetzte Arena
Die Arena in Pratteln wird an diesem Wochenende voll besetzt sein. Auch wenn das Schwing- und Älplerfest inzwischen ein Riesen-Event ist: Für die Besucher bleibt die Atmosphäre entspannt. "Sie können einen Rucksack mitnehmen, sie werden nicht durchleuchtet. Sie können im Rucksack ein großes Messer haben und ihren Speck dabei und sie nehmen die Glasflasche mit auf die Tribüne. Es sind 50.000 Leute da drinnen und es läuft alles gesittet ab", erzählt Matossi.
Das Schwingen elektrisiert die Schweiz: Gekämpft wird unter freiem Himmel. Die Arenen - wie hier auf dem traditionellen Brünigschwinget-Fest auf dem Brünigpass Ende Juli - sind voll.
Lukrativ für Spitzenschwinger
Auf den Sägemehlringen wird dafür umso hitziger gekämpft. Für die wenigen Spitzenschwinger ist der Sport finanziell lukrativ. Der nationale Titel gilt als eine Million Franken schwer. Der Schwingerkönig amtiert drei Jahre lang und kann in dieser Zeit viel Geld aus Werbeverträgen einstreichen. Die Organisatoren haben in das Festwochenende 42 Millionen Franken investiert. Die Sponsoren stehen Schlange.
Tradition und Schweizer Idylle passen zum Zeitgeist. Der Kommerz habe schon überhand genommen, meint Matossi. Schadet das dem Sport? "Das kann schon sein, aber ich habe nicht Angst, dass das dem Sport richtig schadet. Aber man muss es gut beobachten.“