Ostsee Schwedens Armeechef warnt vor Moskaus Ambitionen
Seit Jahren nehmen die Spannungen in der Ostsee zu. Der schwedische Oberbefehlshaber warnt nun vor dem Machtstreben des Kremls in dem Binnenmeer. Russlands Präsident Putin könnte dabei eine strategisch wichtige Insel im Blick haben.
Der Oberbefehlshaber der schwedischen Streitkräfte, Micael Bydén, hat vor Russlands Machtambitionen in der Ostsee gewarnt. "Ich bin sicher, dass (Russlands Präsident Wladimir) Putin sogar beide Augen auf Gotland geworfen hat. Putins Ziel ist es, die Kontrolle über die Ostsee zu erlangen", sagte der Armeechef den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND).
"Wenn Russland die Kontrolle übernimmt und die Ostsee abriegelt, hätte das enorme Auswirkungen auf unser Leben - in Schweden und allen anderen Ostseeanrainerstaaten. Das dürfen wir nicht zulassen", sagte Bydén. "Die Ostsee darf nicht zu Putins Spielwiese werden, auf der er die NATO-Mitglieder in Angst und Schrecken versetzt."
Von Gotland aus könne Schweden anderen NATO-Staaten an der Ostsee helfen, in Sicherheit zu leben. "Wenn Putin aber in Gotland einmarschiert, kann er die NATO-Länder vom Meer aus bedrohen. Das wäre das Ende von Frieden und Stabilität in den nordischen und baltischen Regionen", sagte Bydén.
Keine militärischen Konsequenzen für NATO-Beitritt
Mit Blick auf den NATO-Beitritt Schwedens hatte Putin mit Konsequenzen gedroht. Dass der Kreml den Drohungen Taten folgen ließ, konnte Bydén indes nicht bestätigen. "Von Russland haben wir seit dem Beitritt im Grunde nicht mehr Aktivitäten gesehen als vorher."
In Szenarien sei Schweden davon ausgegangen, dass Russland demonstrativ seine Muskeln spielen lassen würde. "Wir haben aber nicht mit einer Invasion und Bodentruppen gerechnet", sagte Bydén gegenüber den RND-Zeitungen. Wenn Schweden russische Truppenbewegungen beobachtet hätte, dann nicht unmittelbar an seinen Grenzen, so Bydén. "Sie führen Übungen durch, aber nur auf dem erwarteten Niveau."
Hingegen seien "nicht-militärische Provokationen" erwartet worden, wie Desinformation, Verleumdungskampagnen und Cyberangriffe. "Es gab einige schwerwiegende Cyberangriffe, aber es ist schwer zu sagen, wer wirklich dahintersteckt", sagte Bydén. "In einigen Fällen war es definitiv ein staatlicher Akteur, aber es könnte auch jemand anderes als Russland gewesen sein."
Russische Öltanker "Gefahr für die Umwelt in Europa"
Der schwedische Generalstabschef warnte zudem vor einer schwerwiegenden Katastrophe durch alte russische Öltanker in der Ostsee. "Russland könnte eine Umweltkatastrophe direkt vor unserer Haustür verursachen und es wie einen Unfall aussehen lassen. Die Folgen für die Umwelt wären verheerend", so Bydén in den RND-Zeitungen.
Die russischen Öltanker seien eine "echte Gefahr für die Umwelt in Europa". Russland könne diese Schiffe aber auch auf andere Weise zur Kriegsführung gegen die NATO einsetzen, sagte Bydén. "Es gibt keine bessere Möglichkeit für Russland, sich an uns heranzuschleichen, als sich als alter Öltanker zu tarnen. Mit den Schiffen können sie unsere Kommunikation abhören, heimlich irgendetwas transportieren oder sie für Unterwasser-Sabotage einsetzen."
Zivilschutzminister warnte vor möglichem Krieg
Schon im Januar hatte der schwedische Zivilschutzminister Carl-Oskar Bohlin für Aufsehen gesorgt, als er auf einer Verteidigungskonferenz darauf hinwies, dass es in Schweden einen "Krieg" geben könnte. Kurz darauf erklärte auch Bydén, die Menschen im Land müssten sich "geistig auf einen Krieg vorbereiten".
Nach dem Ende des Kalten Krieges hatte Schweden in den 1990er-Jahren seine Verteidigungsausgaben stark zurückgefahren. Erst nach der russischen Annexion der Halbinsel Krim im Jahr 2014 war wieder verstärkt in die Sicherheit des Landes investiert worden.
Im vergangenen Jahr erklärte die Regierung, sie werde 2024 bei den Verteidigungsausgaben das Zwei-Prozent-Ziel überschreiten. Für dieses Jahr sind laut der schwedischen Nachrichtenagentur TT zusätzliche Ausgaben in Höhe von rund 6,5 Milliarden Schwedische Kronen vorgesehen. Laut der schwedischen Agentur für zivile Notfälle ist allerdings knapp das Dreifache nötig, um den Bedarf zu decken.
Im April 2024 - einen Monat nach dem Beitritt Schwedens zur NATO - kündigte die Regierung des skandinavischen Landes schließlich an, 385 Millionen Schwedische Kronen (33 Millionen Euro) in den Zivilschutz und die Wiederherstellung von Luftschutzbunkern zu investieren, und begründete dies mit der aus ihrer Sicht verschlechterten Sicherheitslage. Den Angaben nach fließt das Geld auch in die Stärkung von Rettungsdiensten, den Aufbau von Medikamentenvorräten sowie in die Cybersicherheit des Landes.