Wladimir Putin besucht eine Fabrik in Nischny Tagil (Russland)

Russland Im Sog der Rüstungswirtschaft

Stand: 12.03.2024 18:03 Uhr

Russland hat sich mit vielen westlichen Sanktionen arrangiert und Umwege gefunden. Das erleichtert es Präsident Putin vor der Wahl, seinen Bürgern glänzende wirtschaftliche Aussichten zu versprechen.

In seiner Rede zur Lage der Nation freute sich Präsident Wladimir Putin Ende Februar, wie es in der russischen Wirtschaft brumme. Russland sei, gemessen am kaufkraftbereinigten  Bruttoinlandsprodukt (BIP), heute "die größte Volkswirtschaft Europas und die fünftgrößte der Welt", sagte Putin. Und er äußerte "wegen des Tempos und der Qualität des Wachstums" die Hoffnung, "in naher Zukunft" aufzusteigen "zu einer der vier größten Wirtschaftsmächte der Welt".

Das klang recht optimistisch - aktuelle Statistiken sehen Russland beim kaufkraftbereinigten BIP wieder auf Platz 6 in der Welt hinter Deutschland. Aber: All die westlichen Sanktionspakete scheinen der russischen Wirtschaft wenig anhaben zu können. Und in seiner Rede versprach Putin für die nächsten sechs Jahre ein großes Paket sozialer Wohltaten.

Viel Geld für Rüstungsunternehmen

Ein Grund für die robuste Wirtschaft ist ausgerechnet die, wie sie in Russland genannt wird, "Spezialoperation" gegen den Nachbarn Ukraine. Als deutlich geworden sei, dass die nicht schnell beendet sein würde, habe Russland die Finanzierung von Rüstungsunternehmen stark hochgefahren, sagt Natalja Subarewitsch, Wirtschaftsprofessorin der Moskauer Lomonossow-Universität. Die Gehälter seien um das zwei- bis zweieinhalbfache gestiegen, Mitarbeiter seien von der Rekrutierung in die Armee freigestellt worden.

Man habe begonnen, in mehr Schichten zu arbeiten und Personal aus anderen Werken geholt, weil mehr Beschäftigte gebraucht worden seien. Daraufhin hätten andere Fabriken ebenfalls begonnen, die Gehälter zu erhöhen, um ihre Leute zu halten. Mit der Folge: "In Russland steigen die Löhne heute viel schneller als die Arbeitsproduktivität. Das ist ein negativer Effekt für die Wirtschaft, aber es gibt keine Optionen."

 

Eine andere Form der Wirtschaft

Russland hat seine Wirtschaft umgestellt: Massive staatliche Investitionen fließen insbesondere in die Rüstungsindustrie. Wenn westliche Unternehmen Produktions- und Logistikstandorte verkauften, dann mit Verlust - zum Vorteil russischer Investoren. 

Das Wirtschaftswachstum könnte in diesem Jahr bei 2,5 Prozent liegen, Sorgen macht dagegen die hohe Inflation, weshalb der Leitzins der russischen Zentralbank weiter bei 16 Prozent liegt.

Hinwendung zum Osten

Wegen der westlichen Sanktionen und natürlich der verhängten Gegensanktionen hat sich Russlands Handel umorientiert, was diese Händlerin auf dem Markt von Wladiwostok auf den Punkt bringt: "Was der Westen nicht liefern will, bekommen wir aus dem Osten."

Die Routen haben sich verändert - beim Import von Maschinen, Fahrzeuge, Elektronik, Kleidung, aber auch bei den Ausfuhren. Im vergangenen Jahr exportierte Russland fast 70 Prozent weniger nach Europa als noch im Vorjahr, zitierte die Nachrichtenagentur Interfax den russischen Zoll.

Wogegen inzwischen 72 Prozent aller russischen Exporte nach Asien gehen - weit überwiegend Öl und Gas. Allerdings: Welche genauen Mengen tatsächlich aus der Erde gepumpt werden, bleibt auch in diesem Jahr Staatsgeheimnis.

Parallelimporte umgehen Sanktionen

Weil Russland nicht alles selbst produzieren kann und nicht jedes Hightechprodukt in China zu beschaffen ist, hat die Regierung schon bald nach Beginn der Kampfhandlungen 2022 Parallelimporte erlaubt, also Einfuhren über Drittländer ohne das Wissen der Hersteller. Und das lässt sich nur mühsam mit der Androhung von sogenannten Sekundärsanktionen für die Zwischenmärkte eindämmen. Verfügbar ist fast alles, vom Iphone über Kosmetik, selbst elektronische Komponenten für Militärgüter. 

Und Autos. Der Wirtschaftszeitung "Wedomosti" zufolge wurde im vergangenen Jahr etwa jedes zehnte in Russland zugelassene Auto per Grauimport ins Land gebracht, allen voran japanische, südkoreanische und deutsche Fahrzeuge. 

Bleibt Putin weitere sechs Jahre im Amt, dürfte er mit den gravierenden langfristigen Sanktionsfolgen konfrontiert werden. Aber, sagt Wirtschaftsprofessorin Natalia Subarewitsch: "Ein schneller Zusammenbruch wird aber nicht passieren. Das wird es definitiv nicht sein."

Frank Aischmann, ARD Moskau, tagesschau, 12.03.2024 18:08 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 12. März 2024 um 05:20 Uhr.