Ukraine-Krieg Bemühungen um Deeskalation
Die Bemühungen um ein Ende des Ukraine-Krieges werden fortgesetzt. Nachdem Israels Premier Bennett beim russischen Präsidenten war, sprachen auch die Regierungschefs Frankreichs und der Türkei mit Putin.
Mit einem Besuch des israelischen Regierungschefs Naftali Bennett in Moskau und mehreren Krisen-Telefonaten sind am Wochenende die diplomatischen Bemühungen um eine Deeskalation des Ukraine-Konflikts fortgesetzt worden. Bennett reiste nach einem Gespräch mit Kreml-Chef Wladimir Putin nach Berlin, wo er Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über die Ergebnisse seiner Moskau-Reise unterrichtete.
In Berlin erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit, Scholz und Bennett hätten vereinbart, "in der Angelegenheit weiterhin eng in Kontakt zu bleiben - gemeinsames Ziel bleibe es, den Krieg in der Ukraine so schnell wie irgend möglich zu beenden".
"Vielleicht ist noch Zeit zu handeln"
Bennett war am am Samstag überraschend als Vermittler nach Moskau gereist. Auch wenn die Aussicht auf einen Erfolg gering sei, sehe er seine Mission als "moralische Pflicht" an, sagte er heute während der wöchentlichen Sitzung seines Kabinetts. Solange es noch Hoffnung gebe und "wir Zugang zu allen Seiten haben", wolle er alles versuchen. "Vielleicht ist noch Zeit zu handeln."
Aus Regierungskreisen in Jerusalem hieß es, das Gespräch zwischen Putin und Bennett in der russischen Hauptstadt habe drei Stunden gedauert. Bennett habe sich mit den USA, Deutschland und Frankreich abgestimmt und sei "in ständiger Kommunikation mit der Ukraine". Nach Angaben aus Jerusalem telefonierte Bennett nach dem Treffen mit Putin auch mit Wolodymyr Selenskyj. Details über Bennetts Gespräche wurden zunächst nicht bekannt.
Medienberichten zufolge soll Selenskyj Bennett vor einigen Tagen gebeten haben, in Israel Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine auszurichten. Israel hat gute Beziehungen zu beiden Ländern, befindet sich daher in einem Zwiespalt. Es will seinen wichtigsten Bündnispartner, die USA, nicht verärgern, ist aber gleichzeitig aus strategischen Gründen vom Wohlwollen Moskaus abhängig, unter anderem in den Konflikten mit Syrien und dem Iran.
Erdogan fordert Waffenruhe
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erneuerte bei einem knapp einstündigen Telefonat mit Kremlchef Wladimir Putin heute seine Forderung nach einer Waffenruhe. Erdogan habe betont, dass die Türkei bereit sei, zur friedlichen Lösung des Konflikts beizutragen, erklärte das Präsidialbüro. Es müssten für eine Waffenruhe, für die Öffnung humanitärer Korridore und für die Unterzeichnung eines Friedensabkommens dringend Schritte eingeleitet werden.
Der Kreml erklärte anschließend, dass "eine Aussetzung der Spezialoperation (in der Ukraine) nur möglich ist, wenn Kiew seine Feindseligkeiten einstellt und die bekannten Bedingungen Russlands erfüllt". Der Kreml hoffe, dass die Ukraine bei der nächsten Verhandlungsrunde "eine konstruktivere Herangehensweise" zeige "und die zum Vorschein kommenden Realitäten berücksichtigt". Erdogan hatte sich mehrfach als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine angeboten.
Sorge über drohenden Angriff auf Odessa
Auch Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron telefonierte heute erneut mit Putin. Das Gespräch dauerte eine Stunde und 45 Minuten und ging auf Macrons Initiative zurück, wie der Elysée-Palast mitteilte. Macron habe in dem Gespräch seinen russischen Amtskollegen aufgefordert, seine militärischen Operationen in der Ukraine zu stoppen und sich besorgt über einen möglicherweise kurz bevorstehenden Angriff auf die Hafenstadt Odessa gezeigt.
Frankreichs Präsident habe zudem unterstrichen, dass in der Ukraine eine Verhandlungslösung gefunden werden müsse und die Atomanlagen des Landes geschützt werden müssten. Nach der Einnahme des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja durch russische Truppen war auf dem Gelände ein Brand ausgebrochen, laut ukrainischem Innenministerium im Gebäude eines Trainingskomplexes. Der Vorfall hatte international große Besorgnis ausgelöst.
Laut Mitteilung des Kremls machte der russische Präsident in dem Telefonat mit Macron "ukrainische Radikale" für den Brand auf dem Gelände des AKW verantwortlich. Ebenso sei die Ukraine Schuld am erneuten Scheitern der Evakuierung von Mariupol. Demnach halte sich die Ukraine nicht an die vereinbarte Feuerpause, wie der Kreml mitteilte. Die Hafenstadt im Südosten der Ukraine wird derzeit von Russland belagert.
Borrell für Vermittlung Chinas
In der Frage nach der Vermittlerrolle hat sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell für China ausgesprochen. "Es gibt keine Alternative. Wir (Europäer) können nicht die Vermittler sein, das ist klar (...) Und es können auch nicht die USA sein. Wer sonst? Es muss China sein, ich vertraue darauf", sagte Borrell im Interview mit der spanischen Zeitung "El Mundo" vom Samstag.
Die US-Regierung übt derweil Druck auf China aus, sich im Ukraine-Krieg gegen Russland zu positionieren. Wie das Außenministerium in Washington mitteilte, habe US-Außenminister Antony Blinken am Samstag mit seinem chinesischen Kollegen Wang Yi "über den vorsätzlichen, unprovozierten und ungerechtfertigten Krieg Moskaus gegen die Ukraine" gesprochen.
Blinken habe in dem Telefonat darauf verwiesen, dass "die Welt beobachtet, welche Nationen für die Grundprinzipien der Freiheit, Selbstbestimmung und Souveränität eintreten. Er betonte, dass die Welt gemeinsam handelt, um die russische Aggression abzulehnen und darauf zu reagieren und sicherzustellen, dass Moskau einen hohen Preis zahlen wird."
Bei einer Abstimmung in der UN-Vollversammlung am vergangenen Mittwoch hatten 141 Mitgliedsstaaten für eine Resolution gestimmt, mit der der Angriff Russlands auf die Ukraine verurteilt wurde. Fünf Länder hatten dagegen gestimmt. Unter den 35 Staaten, die sich enthielten, war auch China.