Russische Band Little Big "Maximal nicht einverstanden"
Die russische Band Little Big will nicht zum Krieg gegen die Ukraine schweigen - ihre Mitglieder haben deshalb das Land verlassen. Und die Band ist längst nicht die einzige. Doch der Krieg bleibt auch im Ausland ihr Thema. Von A. Kammerer.
Die russische Band Little Big will nicht zum Krieg gegen die Ukraine schweigen - ihre Mitglieder haben deshalb das Land verlassen. Und die Band ist längst nicht die einzige. Doch der Krieg bleibt auch im Ausland ihr Thema.
Am 24. Februar, dem Tag als Russland die Ukraine überfällt, postet die russische Rave-Band "Little Big" auf Instagram eine schwarze Kachel. Zu lesen sind, wie bei vielen anderen Russen zu dieser Zeit, nur zwei Wörter. Einmal auf russisch, einmal auf englisch: No War - Nein zum Krieg.
Sofort bekommt die Band einen Anruf mit klarer Ansage: Die Kachel muss weg. Als sie sich weigern, wird ihnen klar, dass sie selbst es sind, die nun wegmüssen.
"Stirb oder Geh"
"Wir glauben, dass unser Umzug uns hilft, auszusprechen, was in Russland längst verboten ist", sagt der Front-Sänger der Band, Ilja Prussikin, im Interview mit dem ARD-Studio Moskau. Sie hätten alle nur zwei Koffer gepackt, dann seien sie über Dubai nach Los Angeles geflogen, wo sie sofort anfingen, an einem neuen Song zu arbeiten.
"Generation Cancellation" heißt der und wurde letzte Woche veröffentlicht. Es ist ein Anti-Kriegs-Song, der plakativer und direkter kaum sein könnte. Die englischen Texte sind so eingängig wie einfach: "Ich habe keine Wahl / Stirb oder geh‘ / Meine Generation ist eine neue Zivilisation".
Im Musikvideo bekommen Kinder Hotdogs in Form von Raketen gereicht. Zwei Männer in Anzügen spielen Schach mit Soldaten. Ein Nachrichtensprecher sitzt auf der Toilette. Sein Abwasser wird aus dem Fernseher heraus direkt in die Köpfe einer Familie gepumpt.
"Neue Zivilisation"
"Wir sind maximal nicht einverstanden", wiederholt Prussikin im Interview immer wieder und atmet dabei schwer und enttäuscht aus, wenn es um sein Heimatland geht. Als Kind hätte er oft den Spruch gehört, "Hauptsache kein Krieg. Hunger - okay. Armut - okay. Nur Hauptsache, kein Krieg."
Das sei etwas, dem vor kurzem die meisten wohl zugestimmt hätten, meint er aber jetzt sagten viele: "Es ist ja doch nicht alles schwarz-weiß" und seien dank der Propaganda plötzlich selbst für einen Krieg.
Im Internet werden die Bandmitglieder auf Listen mittlerweile als "Volksverräter" geführt. Dennoch machten sie vor allem für Russen Musik, so Frontsänger Ilija. Am besten gehe das im Ausland, wo er noch alles sagen könne, was er will. Im Sommer plant die Band eine Tour durch die USA. und Europa. Am liebsten aber würden sie in Russland selbst auftreten.
Politisch korrekte Konzerte
Dort wurden unterdessen immer wieder Konzerte abgesagt, weil sich die russischen Musiker weigerten, auf Bühnen vor dem russischen Pro-Kriegs-Symbol, dem "Z", zu singen. In Tjumen war es im April beispielsweise die Band "DDT". In der sibirischen Großstadt Omsk, wollte die Rockband "BI-2" nicht vor einem Banner mit der Aufschrift "Für den Präsidenten" spielen.
Es sei ziemlich offensichtlich, sagte der Musikkritiker Artemij Troizkij jüngst auf dem russischen YouTube-Kanal "Breakfast Show", dass es in Russland in naher Zukunft keine Auftritte mehr von Künstlern geben werde, "die Putin oder die sogenannte Sonderoperation irgendwie kritisiert haben".
Die Liste ist lang
Neben der Band "Little Big" haben längst auch andere berühmte Künstler Russland verlassen. Besonders bekannt war der Weggang des Rappers Oxxxymiron, der noch am 24. Februar ein Video veröffentlichte, in dem er den Krieg verurteilte und danach in Istanbul und später auch in Berlin die Benefiz-Konzertreihe "Russen gegen den Krieg" organisierte.
Auch die russische Künstlerin Monetochka soll laut ihrem Instagram-Account mittlerweile in Riga leben, während die schon immer regimekritische Band IC3PEAK alle Konzerte in Russland abgesagt hat.
Selbst Weltstars wie die Sängerin Alla Pugatschova sollen sich mittlerweile im Ausland aufhalten. Ihre mögliche Rückkehr aus Israel nach Russland wird unterdessen viel diskutiert im Land.
Ausland besser als Inland
Oxxxymiron hat zuletzt auch in Berlin eine riesige Halle gefüllt, Tausende schaute im Stream zu. Die Künstler, die gegangen wären, so der Musikkritiker Troizkij, fänden im Ausland ein großes Publikum - weshalb die russische Rock-Szene außerhalb Russlands mittlerweile sogar besser sei: "Russland selbst ist voll von so einem Scheiß-Rock, der unter dem Buchstaben 'Z' auch regelmäßig auf allen möglichen Bühnen auftritt."
Troizkij hat Respekt vor allen, die trotzdem in Russland geblieben sind: "Aber wenn wir von Entwicklungsperspektiven sprechen, dann gibt es im Ausland natürlich viel mehr davon."
Little Big arbeite unterdessen schon an "vielen neuen Songs", erzählt der Front-Sänger Prussikin. Genug Material zu verarbeiten gäbe es ja. "Das ist das Einzige, was wir können. Deswegen haben wir nur einen Plan für das Leben: Musik machen, Clips drehen und auftreten, Energie von Zuschauern bekommen und ihnen Energie geben."