Krieg gegen die Ukraine Russland setzt offenbar Interkontinentalrakete ein
Russland hat die Ukraine laut Angaben aus Kiew erstmals mit einer Interkontinentalrakete attackiert. Der Einsatz folgt auf ukrainische Raketenangriffe tief in Russland - und dürfte auch eine Drohung an den Westen sein.
Russland hat laut der ukrainischen Luftwaffe eine Interkontinentalrakete gegen die Stadt Dnipro eingesetzt und damit offenbar auf Angriffe gegen eigene Gebiete reagiert. Die Rakete sei in der Region Astrachan am Kaspischen Meer gestartet und zusammen mit acht weiteren Geschossen auf die viertgrößte Stadt der Ukraine abgefeuert worden.
Der Luftwaffe zufolge wurden sechs der Geschosse abgefangen. Die örtlichen Behörden teilten mit, bei dem Angriff seien zwei Menschen verletzt und eine Industrieanlage sowie ein Rehazentrum für Menschen mit Behinderungen beschädigt worden.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj teilte mit, Russland habe einen neuen Raketentyp eingesetzt. Die beobachtete Geschwindigkeit und Höhe deute auf eine ballistische Interkontinentalrakete hin. Weitere Prüfungen seien derzeit im Gange, so Selenskyj. US-Medien zitieren hingegen einen ungenannten westlichen Offiziellen, der von einer ballistischen Rakete mit kürzerer Reichweite ausgeht.
"Offensichtlich" kein nuklearer Sprengkopf
Es wäre das erste Mal seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022, dass Russland eine Interkontinentalrakete gegen die Ukraine einsetzt. Solche Raketen können sowohl mit konventionellen als auch mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden und Ziele in Tausenden von Kilometern Entfernung treffen.
Die auf Dnipro abgefeuerte Rakete sei jedoch offensichtlich nicht mit einem Atomsprengkopf bestückt gewesen, berichtete die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Kreise der ukrainischen Luftwaffe. Offiziell bestätigt wurde dies von den ukrainischen Behörden bisher nicht. Das ukrainische Medienportal Ukrainska Pravda berichtete, es habe sich um eine Rakete des Typs RS-26 Rubezh gehandelt. Die US-Organisation für Rüstungskontrolle Arms Control Association gibt die Reichweite der RS-26 mit 5.800 Kilometern an.
Bei einer Militärparade in Moskau wird eine russische "Yars"-Interkontinentalrakete vorgeführt, ein ähnliches Modell wie die offenbar in der Ukraine eingesetzte Rakete. (Archivbild 2022)
Kreml äußert sich nicht
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow antwortete in einem Pressebriefing auf die Frage, ob Moskau die Rakete abgefeuert habe, er habe "nichts zu diesem Thema zu sagen". Peskow sagte zudem, Russland werde "größte Anstrengungen" unternehmen, um einen nuklearen Konflikt zu vermeiden. Er hoffe, dass "andere Länder" die gleiche "verantwortungsvolle Haltung" hätten.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums wurde inmitten einer live übertragenen Pressekonferenz angewiesen, den Vorfall nicht zu kommentieren. Maria Sacharowa erhielt während des Briefings einen Anruf, in dem sie eine männliche Stimme aufforderte, "keinen Kommentar" zu dem Angriff auf Dnipro abzugeben.
Vor dem Hintergrund der erst vor zwei Tagen veränderten russischen Atomwaffendoktrin dürfte der Einsatz jedoch eine Drohgebärde über die Ukraine hinaus sein. Die US-Regierung hatte Kiew zuvor gestattet, US-Waffen mit großer Reichweite auch gegen Ziele im russischen Hinterland einzusetzen.
Raketenangriffe auf russisches Territorium
Die US-Freigabe gilt als Antwort auf den vermuteten Einsatz nordkoreanischer Soldaten aufseiten Moskaus. Russland wiederum betrachtet die US-Waffen als eine Eskalation und eine Verwickelung der USA und anderer westlicher Staaten in den Krieg.
Nach der Erlaubnis feuerte die Ukraine diese Woche erstmals von den USA gelieferte ATAMCS-Raketen auf Ziele in Russland ab. Gestern setzte sie dann offenbar auch aus Großbritannien stammende Marschflugkörper vom Typ "Storm Shadow" in russischem Territorium ein.
Heute teilte das russische Verteidigungsministerium mit, es habe erneut zwei britische "Storm Shadows" und sechs Himars-Raketen aus den USA abgefangen, zusammen mit 67 Drohnen. Wann und wo genau dies geschah und worauf die Raketen zielten, blieb offen.
Verletzte auch in Krywyj Rih
Infolge eines weiteren russischen Raketenangriffs auf die südostukrainische Großstadt Krywyj Rih wurden Behördenangaben zufolge mindestens 26 Menschen verletzt. Zehn Opfer mussten in Krankenhäuser verlegt werden, wie der Gouverneur der Region, Serhij Lyssak, mitteilte.
Der örtlichen Militärverwaltung zufolge schlug eine Rakete in einem Verwaltungsgebäude ein. Etwa zehn Wohngebäude seien beschädigt worden.