Nobelpreisträger in Belarus vor Gericht Ein Prozess, der "Angst einjagen" soll
In Belarus beginnt heute ein Prozess, bei dem die Verurteilung bereits feststehen dürfte. Vor Gericht steht Regimekritiker und Friedensnobelpreisträger Bjaljazki. Experten erwarten eine Haftstrafe, die "Angst einjagen" soll.
Am 14. Juli 2021 schlugen die belarusischen Behörden zu. Ales Bjaljazki, der Gründer und Leiter der Menschenrechtsorganisation Wjasna, sein Stellvertreter Valentin Stefanowitsch und der Anwalt Wladimir Labkowitsch wurden festgenommen. Seit anderthalb Jahren sitzen sie in Untersuchungshaft und warten auf ihren Prozess.
Nobelpreis spielt wohl auch eine Rolle
Eine kräftezehrende Hängepartie, die durchaus System habe, wie der belarusische Politologe und Journalist Artyom Shraibman betont: "Jeder weiß, dass das Regime mit solchen Leuten kein Mitleid hat. Es geht darum, sie zu bestrafen, indem man sie möglichst lange wegsperrt."
Dass am Ende des Prozesses - unabhängig von der Beweisführung - eine Verurteilung zu langen Haftstrafen steht, daran gibt es keinen Zweifel. Die Statistik, so Shraibman, spreche eine eindeutige Sprache. Gerade, wenn es um namhafte politische Gefangene gehe, die für ihre Arbeit mehrfach international ausgezeichnet worden seien.
Auch der Friedensnobelpreis, denke ich, dürfte mit dafür sorgen, dass die Haftstrafe nicht kurz ausfällt. Wenn man jemanden freilassen würde, nachdem ihm der Nobelpreis verliehen worden ist, könnte es ja so wirken, als ob man internationalem Druck nachgebe.
Politologe: Es geht um Signalwirkung
Haftstrafen zwischen sieben und zwölf Jahren stehen im Raum. Wegen angeblichen Bargeldschmuggels, der Finanzierung von Aktionen und Gruppen, die grob gegen die öffentliche Ordnung verstoßen haben sollen, und wegen diverser Aufrufe zu Protesten.
Wie bei vielen Prozessen, die im Zusammenhang mit den Massenprotesten gegen die international nicht anerkannte Präsidentschaftswahl 2020 stehen, geht es nach Ansicht Shraibmans auch hier um eine Signalwirkung. Das Regime wolle mit harten Urteilen abschrecken "um potenziell Unzufriedenen Angst einzujagen. Damit sie eine ganz klare Vorstellung haben, was sie erwartet, sollten sich die Ereignisse des Jahres 2020 wiederholen".
Lukaschenko schon lange ein Dorn im Auge
Es dürfte im Fall von Wjasna aber auch darum gehen, einer zivilgesellschaftlichen Instanz das Rückgrat zu brechen, eine der ältesten belarusischen Menschenrechtsorganisationen zu zerschlagen, die im In- und Ausland hohes Ansehen genießt - und die Machthaber Alexander Lukaschenko schon lange ein Dorn im Auge ist.
Wjasna habe sich nie auf irgendwelche schändlichen Kompromisse mit dem Regime eingelassen, auch nicht im Kleinen, so Shraibman. "Sie waren immer prinzipientreue Menschenrechtler. Es ist die einzige bedeutende Menschenrechtsorganisation, die seit 20 Jahren ohne Registrierung arbeitet."
Immer wieder gab es Hausdurchsuchungen, Technik wurde beschlagnahmt. Es kam zu Verhören und Festnahmen. Bjaljazki, der Wjasna 1996 gründete, saß bereits drei Jahre wegen angeblicher Steuerhinterziehung im Straflager. Trotz allem aber haben sie weitergemacht.
"Deshalb denke ich, dass das System sie quasi für eine 'Verkörperung des menschenrechtlichen Bösen' hält", meint Shraibman sarkastisch. Auch jetzt arbeiten die Wjasna-Aktivistinnen und -Aktivsten weiter. Sie dokumentieren Menschenrechtsverletzungen und kümmern sich um die Familien politischer Gefangener - zu denen nun auch Bjaljazki, Stefanowitsch und Labkowitsch gehören, denen ab heute der Prozess gemacht werden soll.