Prinz Harry im Kreuzverhör Bisher viel Emotion, wenig Belege
Prinz Harry hat vor dem High Court in London seine Vorwürfe gegen die britischen Boulevardmedien wiederholt: Sie sollen mit illegalen Mitteln Informationen über ihn beschafft haben. Im Kreuzverhör konnte er das jedoch kaum belegen.
Die Top-Meldung in den britischen Medien - fünf Stunden lang saß Prinz Harry gestern vor dem High Court in London im Zeugenstand. Gleich zu Beginn räumte er ein, er hege eine lebenslange Feindseligkeit gegenüber der Boulevardpresse, denn sie habe ihn seit seiner Geburt verfolgt.
Sie zerstöre seine Beziehungen und sie säe Misstrauen gegen Familie und Freunde, wettert Prinz Harry. "Wie viel Blut wird noch die tippenden Finger von Reportern beflecken, bevor jemand diesem Wahnsinn Einhalt gebieten kann", formulierte Harry drastisch.
Er wirft gemeinsam mit anderen Klägern dem Medienkonzern Mirror Group Newspapers (MGN) für einen Zeitraum zwischen 1996 und 2010 illegale Informationsbeschaffung vor. Unter anderem soll der Verlag das Handy des Prinzen angezapft haben.
Anwalt verweist auf vorherige Medienberichte
Akribisch nahm der Anwalt der Mirror-Group, Andrew Green, dem der Spitzname "Bestie des Gerichtssaals" anhängt, im Rahmen des Kreuzverhörs von Harry eine Reihe von Zeitungsartikeln unter die Lupe. Die Anwälte des Prinzen hatten angeführt, sie enthielten illegal beschaffte Informationen. Es ging dabei um Krankheiten des Prinzen, um die Beziehung zu seiner ersten Freundin Chelsy Davy und familiäre Angelegenheiten.
Immer wieder verwies Green dabei auf Berichte in anderen Medien, die das Thema bereits im Vorfeld behandelt hätten, was die Schlussfolgerung nahelegt, Journalisten hätten lediglich voneinander abgeschrieben. Harrys Entgegnung darauf, zunächst sehr nervös, im Laufe der Zeit immer gefasster: Konkurrierende Medien hätten durch Abhören versucht, Geschichten weiterzudrehen. Er habe lange nicht gewusst, woher Informationen in manchen Berichten stammten. Er sei "paranoid" geworden und habe Freunde als Informanten verdächtigt.
Jurist: "Harry muss eindeutige Verbindung herstellen"
Und das blieb der Schwachpunkt im Laufe der Befragung, erläuterte der Jurist Joshua Rozenberg in der BBC. "Das Problem ist, Harry muss eine eindeutige Verbindung zwischen den veröffentlichten Geschichten herstellen und dem Vorwurf, dass dafür illegale Praktiken angewandt wurden", sagte er.
Harry habe auf die vom Anwalt angeführten Medienberichte, immer wieder entgegnet, dass es Quittungen für bezahlte Privatdetektive gebe, so Rozenberg weiter. "Aber dass der Mirror Privatdetektive bezahlt hat, ist auch noch kein Beweis, dass die sein Telefon angezapft und seine Privatsphäre verletzt haben."
Harry: "Man startet als leere Leinwand"
Wo Anwalt Green ins Detail ging, antwortete Harry allgemein. Er könne nicht sagen, wie bestimmte Journalisten sich Informationen beschafft hätten, dazu müsse man sie selbst befragen. Zuweilen wirkte der Prinz fahrig, dann wieder schnippisch.
Heftige Vorwürfe hatte Harry bereits in einer rund 50-seitigen schriftlichen Aussage formuliert, die vor dem Kreuzverhör veröffentlicht worden war. In dem Dokument betont Harry, die Presse weise jedem Royal eine Rolle zu: "Man startet als leere Leinwand, während sie herausfinden, was für ein Mensch man ist und welche Probleme und Versuchungen man möglicherweise hat", heißt es.
Dann versuchten die Medien, einen dazu zu bewegen, die Rolle zu spielen, mit denen sie möglichst viele Zeitungen verkaufen könnten. Man werde abgestempelt, in seinem Fall als "Betrüger", "Schwachkopf" oder "minderjähriger Säufer".
Prinz sieht auch Regierung am Tiefpunkt
Harry ging in dem Statement auch mit der britischen Regierung hart ins Gericht: Presse und Regierung im Vereinigten Königreich befänden sich an einem Tiefpunkt. Um den Journalismus zu retten, müssten jene Leute in den Medien entlarvt werden, die rechtswidrige Mittel für ihre Ziele einsetzten. Die Demokratie scheitere, wenn die Medien es versäumten, die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen, und sich stattdessen dafür entschieden hätten, mit ihr ins Bett zu gehen, um den Status Quo zu sichern, so Harry.
Der Prinz macht die Boulevardpresse auch für den Tod seiner Mutter Diana verantwortlich, die 1997 während einer Verfolgungsjagd mit Fotografen in Paris ums Leben kam.
Harry als "radikaler Erneuerer"?
Sein erklärtes Lebensziel ist, die Presselandschaft zu reformieren, meint die Journalistin und Bürgerrechtsaktivistin Afua Hagan. "Harry sieht sich hier als der radikale Erneuerer. Er möchte, dass die Medien zur Rechenschaft gezogen werden, dass sie sich für ihre Praktiken entschuldigen müssen."
Dabei gehe es ihm nicht ums Geld. "Selbst wenn er Schadensersatz zugesprochen bekäme, würde das vermutlich nicht seine Anwaltskosten decken", sagt Hagan. "Für ihn wäre es ein Sieg, wenn die Verlage ihre Schuld eingestehen müssten."
Das Verhör soll Mittwoch fortgesetzt werden. Bei der zivilen Sammelklage gegen die Mirror-Group MGN werden exemplarisch Fälle von mehreren Prominenten verhandelt. Geklärt werden soll auch, inwieweit die Führungsebene des Verlags in illegale Praktiken verwickelt war. MGN weist die Vorwürfe zurück. Ein Urteil wird erst im Laufe des Jahres erwartet. Bekommen Harry und die anderen Kläger Recht, dürfte das Gericht ihnen Schadensersatz zusprechen.