Bespitzelungsprozess Prinz Harry im Zeugenstand
Prinz Harry will heute im Zeugenstand schwere Vorwürfe gegen die britische Boulevardpresse erheben. Sie hätten ihn und viele andere über Jahre hinweg bespitzelt.
Gestern war Prinz Harry zum Erstaunen des Richters nicht im Gericht erschienen. Das wird heute anders sein. Die BBC spricht von Harrys High Noon im High Court. Der Sohn von König Charles III. tritt in den Zeugenstand. Er hat es so gewollt. Harry sucht die Konfrontation mit der ihm so verhassten Boulevardpresse.
Er ist damit nicht allein. Tatsächlich handelt es sich in diesem Fall um eine zivile Sammelklage von über einhundert Personen. Vier erscheinen vor Gericht, Harry ist der prominenteste von ihnen. Es geht in dem Prozess um den Vorwurf der Bespitzelung im Zeitraum von 1993 bis 2011.
Damals hätten einige Zeitungen, in jedem Fall die Verleger, geglaubt, über dem Gesetz zu stehen, sagt Nathan Sparkes von "Hacked off", einer Kampagne, die für eine rechenschaftspflichtige Presse kämpft.
"Alles war möglich, solange man es nicht zugegeben hat"
Im konkreten Fall wird der Verlag Mirror Group Newspapers beschuldigt, der unter anderem die Boulevardblätter "Daily Mirror" und "Sunday Mirror" herausbringt. Ihm wird vorgeworfen, Daten und Informationen mit illegalen Mitteln beschafft zu haben - mit Wissen der Chefetagen.
Während der Verlag die Vorwürfe zurückweist, zeichnet Dan Evans ein ganz anderes Bild. Evans ist wegen illegaler Datenbeschaffung verurteilt worden. Der Reporter hat zwischen 2003 und 2005 für den "Sunday Mirror" Telefone gehackt. Den Redaktionsalltag von damals beschreibt er im Gespräch mit dem ARD-Studio London so: "Ich kann das nur als wilden Westen beschreiben. Alles war möglich, solange man es nicht zugegeben hat."
Prinz Harry: Methoden haben Depressionen und Paranoia ausgelöst
In Harrys Fall soll eine Auswahl von 33 Zeitungsartikeln zeigen, dass die Blätter damals Informationen besaßen, die sie eigentlich nicht hätten haben können. Der Prinz wirft der Mirror Group vor, mit der Bespitzelung die Beziehung zu seiner damaligen Freundin Chelsy zerstört zu haben, außerdem hätten die Methoden des Verlags Depressionen und Paranoia bei ihm ausgelöst.
Harry kam offenbar an den Punkt, an dem er nicht mehr wusste, wem er noch vertrauen konnte, weil immer wieder Privates an die Öffentlichkeit gelangte und er davon ausgehen musste, dass das jemand ausgeplaudert hatte.
Der Anwalt der Mirror Group sagt, dass es genauso gewesen ist. Viele Informationen sollen von der Königsfamilie selbst oder deren Mitarbeitern gekommen sein.
Harry ein unangenehmer Kläger
Als Kläger ist Prinz Harry für den "Mirror "und die anderen Boulevardzeitungen, die er verklagt, sehr unangenehm. Denn der 38-Jährige erregt nicht nur große Aufmerksamkeit, sondern hat auch schon abgelehnt, einen Vergleich zu schließen. Dan Evans: "Das Besondere, dass Prinz Harry hier ist, ist, dass er die Mittel und das Motiv hat, die Sache zu Ende zu bringen."
Hart wird es für Harry trotzdem, das sagen ihm zumindest viele voraus, die wissen, was ein Kreuzverhör bedeutet. Es liegen Welten dazwischen, von einem Journalisten interviewt oder aber von einem gegnerischen Anwalt in die Mangel genommen zu werden.
Beobachter sind sich sicher, dass die Anwälte des Verlags versuchen werden, Harrys Glaubwürdigkeit zu untergraben. Zugleich wird der Prinz über sehr private Momente seines Lebens sehr detailliert Auskunft geben müssen - damit nachvollziehbar wird, wer was unter welchen Umständen zu bestimmten Zeitpunkten gewusst haben kann und was nicht.