Skandal um fehlerhafte Software Sunak will Post-Angestellte entschädigen
Es ist einer der größten Justizirrtümer Großbritanniens: Hunderte Post-Angestellte waren bis 2015 zu Unrecht des Diebstahls beschuldigt worden. Nun sollen sie entschädigt werden. Die Fehlbeträge waren durch fehlerhafte Software zustande gekommen.
Computerpannen durch fehlerhafte Software sind ärgerlich, aber selten zerstören sie Existenzen. In Großbritannien aber ist genau das passiert, und zwar bei der Post. Zwischen 1999 und 2015 wurden etwa 700 Mitarbeiter der staatlichen Postämter strafrechtlich verfolgt, weil sie angeblich Gelder der Post veruntreut hatten. In Wirklichkeit kamen die Fehlbeträge aber durch ein fehlerhaftes Computerprogramm zustande. Schuld war die Software Horizon des japanischen Technologieriesen Fujitsu, die die britische Post seit Ende der 1990er-Jahre installierte.
"Mr Bates vs The Post Office"
Das Ganze entwickelte sich zu einem der größten Justizirrtümer des Landes - mit Auswirkungen bis heute. Nachdem ein Fernsehsender das Thema unter dem Titel "Mr Bates vs The Post Office" als mehrteiliges TV-Drama ausstrahlte, machte der längst bekannte Skandal Vereinigten Königreich derzeit Schlagzeilen, dass die konservative britische Regierung von Premierminister Rishi Sunak unter Handlungsdruck geriet.
Nun sagte sie zu, die zu Unrecht beschuldigten mehr als 700 Post-Angestellten rasch zu rehabilitieren. Sie sollen möglichst schnell entschädigt werden. "Dies ist einer der größten Justizirrtümer in der Geschichte unseres Landes", sagte Premierminister Sunak im Parlament in London. "Die Leben und der Ruf von Menschen, die hart gearbeitet haben, um ihren Gemeinden zu dienen, wurden ohne eigenes Verschulden zerstört. Die Opfer müssen Gerechtigkeit und Entschädigung erhalten."
Eine Postfiliale in London. Zwischen 1999 und 2015 wurden Hunderte Mitarbeiter fälschlicherweise strafrechtlich verfolgt.
Gefängnis, Ruin, Tod
Den betroffenen Post-Filialleitern war wegen eines mangelhaften Computersystems Diebstahl oder Betrug zur Last gelegt worden. Computer der britischen Post gaben fälschlicherweise an, dass aus Filialen Geld entwendet worden war. Bislang sind nur die Verurteilungen in 93 Fällen gekippt worden. Einige Beschuldigte mussten ins Gefängnis, viele erlebten neben sozialer Ächtung auch den finanziellen Ruin, weil sie der staatlichen Post viel Geld zahlen mussten. Mehrere begingen Suizid.
Der einstige Filialleiter Alan Bates hatte zusammen mit Mitstreitern nach zweijährigem Prozess im Dezember 2019 erreicht, dass das High Court grundsätzlich feststellte, dass Computerfehler und nicht Straftaten die Ursache für die Fehlbeträge waren. Der Richter hielt der Post "institutionelle Halsstarrigkeit" vor, da sie die wahren Ursachen der Abrechnungsprobleme nicht ordentlich untersucht habe.
Skandal ist noch immer nicht aufgearbeitet
Tatsächlich gingen die Anwälte der Post auch dann noch gegen unschuldige Mitarbeiter vor, als es glaubwürdige Hinweise auf Horizon als Fehlerquelle gab. Der Skandal ist noch lange nicht aufgearbeitet. Auch die im Februar 2022 eingeleitete Untersuchung, wer im Post-Management wann von den ungerechtfertigten Vorwürfen wusste, ist noch nicht abgeschlossen. Nur 93 Verurteilungen wurden bislang aufgehoben. An einen Teil der Betroffenen flossen bislang 21 Millionen Pfund an Entschädigungsgeldern. Im September hatte die Regierung angekündigt, jeder Betroffene erhalte 600.000 Pfund wegen des erlittenen Unrechts. Stattdessen könnten sie aber auch den Klageweg beschreiten, um höhere Entschädigungen zu erstreiten.
Ex-Postchefin ist kein "Commander of the Order of the British Empire" mehr
Nach der TV-Serie über den Skandal schwappte eine neue Welle der Empörung durch das Land. Mehr als eine Million Menschen unterzeichneten eine Petition, die sich gegen die damalige Postchefin Paula Vennells richtete. Sie gab am Dienstag eine königliche Auszeichnung zurück. Sie werde auf den Titel "Commander of the Order of the British Empire" verzichten, der ihr 2018 verliehen worden war. "Es tut mir aufrichtig leid für die Zerstörung, die den Unterpostmeistern und ihren Familien zugefügt wurde, deren Leben zerrissen wurde, weil sie zu Unrecht beschuldigt und aufgrund des Horizon-Systems zu Unrecht verfolgt wurden", sagte Vennells.