Nach Wahl in Polen Warum Brüssel auf den Machtwechsel hofft
In Polen könnte es nach der Parlamentswahl eine politische Kehrtwende geben. Die Opposition sieht Chancen für einen Machtwechsel - dann dürfte sich auch Polens Verhältnis zur EU wieder verbessern.
Nach der Parlamentswahl in Polen bleibt die nationalkonservative PiS-Partei stärkste politische Kraft. Allerdings könnte es trotzdem einen Machtwechsel geben. Denn die drei Oppositionsparteien - allen voran die Bürgerplattform des ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk - kommen nach jetzigem Stand der Auszählung zusammen auf deutlich mehr als 50 Prozent der Sitze. Für die Europäische Union ist das eine gute Nachricht.
Kein Kommentar aus Brüssel
Die EU-Kommission will sich offiziell nicht äußern. Weil man dies bei Wahlen in einem Mitgliedsland niemals tue, teilte Kommissionssprecher Eric Mamer mit. Auch stehe das Endergebnis noch nicht fest.
Doch die Hoffnung ist groß, dass ein Machtwechsel in Warschau grundlegende Veränderungen in der polnischen Außenpolitik bringen könnte. Die PiS liegt im Dauerstreit mit Brüssel. Zudem verärgerte sie die Bundesregierung mit wiederholten Forderungen nach Weltkriegsreparationen.
Grüne sehen Polen pro-europäisch
Jetzt könnte Polen endlich wieder einen pro-europäischen Kurs einschlagen, meint der grüne Europaparlamentarier Daniel Freund. Die polnische Gesellschaft habe in jedem Fall sehr deutlich gemacht, wo sie mehrheitlich stehe.
"Noch nie sind bei einer Wahl in Polen so viele Menschen zur Wahl gegangen. Das ist erstmal ein starkes Zeichen für die europäische Demokratie", so Freund. Es sehe im Moment alles danach aus, als würde die aktuelle Opposition die Wahl gewinnen und eine neue Regierung bilden können.
"Und das ist natürlich ein tolles Zeichen für Europa insgesamt. Denn die Zusammenarbeit war ja durchaus schwierig", so Freund weiter. Jetzt sei die Hoffnung groß, dass eine neue Regierung den Schaden, den PiS in den letzten Jahren angerichtet hat, schnell beheben kann.
Rückbesinnung auf europäische Werte
Ob beim Umgang mit Minderheiten, bei Pressefreiheit oder Frauenrechten, in vielen Bereichen verstößt Warschau aus Sicht Brüssels gegen die in den europäischen Verträgen festgeschriebene Wertegemeinschaft.
Der Hauptstreitpunkt ist, dass die PiS seit ihrer Machtübernahme im Jahr 2015 eine Reform der Justiz vorantreibt, um deren Unabhängigkeit abzuschaffen, erklärt der FDP-Europapolitiker Moritz Körner: "Mit der prognostizierten Abwahl des Möchtegernautokraten Kaczynski ist davon auszugehen, dass die Zerschlagung des polnischen Justizsystems zügig rückgängig gemacht werden könnte."
Konstruktive europäische Arbeit mit Polen
Sobald sichergestellt sei, dass in Polen wieder rechtsstaatlichen Prinzipien gelten, sollte das Land die auf Eis gelegten EU-Haushaltsgelder erhalten, meint Körner. Insgesamt geht es dabei um über 100 Milliarden Euro. Das sieht Michael Gahler genauso. Der CDU-Politiker ist der außenpolitische Sprecher der EVP, der größten Fraktion im EU-Parlament.
Er sei sehr zuversichtlich, dass die "Rechtsstaatsverfahren, aber auch die Zurückhaltung der Mittel aus dem Wiederaufbaufonds, dass wir das bald zu den Akten legen können", so Gahler. Voraussetzung dafür sei, dass eine neue polnische Regierung ohne PiS dann auch wieder konstruktiv an der Politik der Europäischen Union mitarbeiten würde.
Auf dem Weg dahin kann allerdings noch viel passieren. Wahrscheinlich beauftragt Polens Präsident Andrzej Duda mit der Regierungsbildung zuerst seine PiS -Partei - die es ohne eigene Mehrheit aber schwer haben wird, einen Koalitionspartner zu finden. Auch die Koalitionsverhandlungen zwischen den drei Oppositionsparteien, die in ihren Positionen oft sehr weit auseinanderliegen, dürften dann alles andere als leicht werden.